Wie sich die Marktanteile bei E-Auto-Ladeanbietern verschieben

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 6 min

Wer mit einem Elektroauto durch Deutschland fährt, hat am besten mehrere Ladekarten, RFID-Chips oder Apps zur Hand, um ladetechnisch sicher und komfortabel an sein Ziel zu kommen. Landesweit gibt es eine hohe dreistellige Zahl von Ladeservice-Anbietern. Das Feld der Anbieter ist groß: Neben überregionalen Energieversorgern und Stadtwerken sind unabhängige Roamingservices, Einzelhändler, Charge-Point-Operator (CPO), aber auch Autohersteller und andere, wie die Mineralölwirtschaft und der ADAC, mit Angeboten auf dem Markt.

Seit vier Jahren befragt UScale Elektroauto-Fahrer und -Fahrerinnen danach, welche Ladeservices sie nutzen, welchen davon bevorzugt und warum. Im Sommer 2022 hat das Marktforschungsinstitut erneut mehr als 1800 Menschen befragt, die mit ihrem E-Auto regelmäßig öffentlich laden. Die Befragten hatten ihr Elektroauto seit durchschnittlich zwei Jahren. Sie sollten also viel Erfahrung mit dem öffentlichen Laden haben und wissen, wovon sie reden.

Die Anzahl der Ladeservices, die die Befragten aktiv, das heißt zumindest gelegentlich nutzen, ist in den letzten Jahren deutlich gefallen. Nun steigt sie (wohl nach einer Corona-Delle) erstmals wieder leicht, bleibt aber unter vier. Elektroautofahrer nutzen nicht alle Services gleich oft. Vielmehr haben die Befragten einen Favoriten, den sie bevorzugt nutzen. Die übrigen Services werden nur in bestimmten Situationen genutzt, in denen sie spezifische Vorteile bieten.

E-Auto-Laden-Ladedienste
UScale

EnBW mit großem Abstand Marktführer bei den Ladeservices

Für die Analyse waren zwei Größen entscheidend: Zum einen müssen Autofahrerinnen und -Fahrer ein Ladeangebot überhaupt „auf dem Schirm“ haben, das heißt einen Vertrag abgeschlossen und den Service auf das Smartphone geladen haben oder registriert sein (Active Use). Da Geschäftsmodelle zum Laden auf nutzungsbasierten Vergütungsmodellen basieren, ist für Anbieter die tatsächliche und bevorzugte Nutzung der Services entscheidend (Preferred Use). Aus dem Anteil, wie oft ein Anbieter bevorzugt genutzt wird, hat UScale den Marktanteil berechnet. Dieser Wert repräsentiert in etwa den Status-Quo und ermöglicht, Veränderungen über die Jahre zu verfolgen.

Auf Platz 1 behauptet sich die EnBW mit mobility+ und ihrem Schwesterangebot ADAC eCharge. Zusammen können sie ihren Marktanteil noch einmal auf rund 40 Prozent ausbauen. Auf Platz 2 folgt die Gruppe der Autohersteller mit einem Marktanteil von 25 Prozent. Auch sie haben im Vergleich zum vergangenen Jahr zulegen können. Auffällig ist, dass Tesla keine Sonderrolle mehr einnimmt: Tesla-Besitzer nutzen den markeneigenen Ladeservice nicht öfter als der Durchschnitt der Besitzerinnen vieler anderer Marken.

Neben den Angeboten der EnBW fallen die Ladeservices aller anderen überregionalen Energieversorger deutlich zurück. Zusammen erreichen sie einen Marktanteil von nur noch 10 Prozent. Die Summe aller Stadtwerke kommt auf einen Marktanteil von 6 Prozent.

Der Anteil der unabhängigen Roaminganbieter, wie Shell Recharge, Plugsurfing, Chargemap u.a. hat sich weiter verringert auf aktuell 8 Prozent. Als „Universalwerkzeug“ im Anbietersortiment spielten sie in den Anfangstagen der Elektromobilität eine wichtige Rolle. Mit der Verbesserung der anderen Angebote verlieren sie an Bedeutung. Das gleiche Schicksal teilen die sogenannten Navigation Service Provider. Dabei handelt es sich meist um Verzeichnisse, die auf den frei verfügbaren Daten von Going Electric aufbauen, aber keine Bezahlmöglichkeit bieten. Sie nehmen inzwischen nur noch 2 Prozent Marktanteil ein.

Erstmals tauchen in der Analyse zwei Anbietergruppen auf, die bisher keine relevante Rolle gespielt haben. Das sind zum einen die Einzelhändler, die teilweise Energieversorger mit dem Betrieb beauftragen, aber auch selbst als Betreiber auftreten. Sie kommen auf rund 4 Prozent Marktanteil. Mit 3 Prozent Marktanteil folgen die Charge-Point-Operator (CPO), die Kunden mit eigenen Ladeverträgen, also ohne den Umweg über einen eMobility Service-Provider (eMSP) direkt an sich binden.

Auf 2 Prozent Marktanteil kommen Angebote von Arbeitgebern, die ihre Mitarbeitenden mit Dienstwagen an Ladeverträge der Akzeptanznetzwerke der Mineralölgesellschaften binden. Unter den Sonstigen 1 Prozent finden sich vor allem Flatrate-Anbieter, wie etwa Elvah.

Deutliche Veränderungen im Markt der Ladeservices in den letzten Jahren

In den letzten vier Jahren hat es deutliche Verschiebungen gegeben. Das Angebot von mobility+ überzeuge auf der Leistungsseite und im Preis, so UScale. Durch die Kooperation mit dem ADAC konnte EnBW zusätzliche Reichweite erzielen und auch Nichtnutzer des EnBW-Hausstroms mit einem günstigen Tarif ansprechen. So gibt es inzwischen nur noch wenige E-Auto-Fahrer:innen, die die Angebote der EnBW nicht nutzen. Der Anteil der Preferred User hielt aber nicht mit mit dem gestiegenen Anteil der aktiven Nutzer.

Auch die Ladeangebote der Autohersteller konnten deutlich zulegen. War der Markt 2019 noch fast vollständig von Tesla geprägt, bieten heute viele Autohersteller gebrandete Ladeservices an. Die Nutzung des markeneigenen Services ist von Marke zu Marke sehr unterschiedlich. Auffällig ist, dass Besitzerinnen und Besitzer den Tesla-eigenen Ladeservice nicht mehr häufiger bevorzugt nutzen als der Durchschnitt vieler anderer Marken. Bemerkenswert sei die Entwicklung der unabhängigen Roaminganbieter. Nach zwei Jahren mit hohen Verlusten stabilisieren sich die Marktanteile langsam. Als größter unabhängiger Roaminganbieter kann Shell Recharge seinen Marktanteil sogar leicht ausbauen.

In welche Richtung wird sich der Markt in den nächsten Jahren entwickeln?

Viele Experten sind der Meinung, dass Ladestrom eine klassische Commodity ist, also ein standardisiertes Produkt ohne nennenswerte Leistungsunterschiede, bei der am Ende der Preis entscheidet. Unsere Kundenstudien zeigen, dass der Preis sehr wichtig ist, aber nicht allein entscheidet. Es lohnt sich also, genauer hinzusehen.

Kundenstudien schauen in die Vergangenheit, zeigen aber Trends. Kennt man die Ursachen für diese Trends, kann man einen Blick in die Zukunft werfen. Dazu kommen Einflüsse aus den bekannten gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den Markt verändern. Diese haben Rückwirkungen auf die Angebote der Service-Provider und die Nutzer, die ihr Verhalten immer wieder anpassen. Ein Beispiel ist das Ad-hoc-Bezahlen an der Ladesäule. Bezahlterminals erhöhen die Kosten der Betreiber, erlauben CPO aber auch, den Ladestrom selbst mit dem Ladekunden abzurechnen und eMSP zu umgehen. So ergeben sich neue Chancen für CPO, Payment-Anbieter und Vermittlungsplattformen.

Durch den aktuell deutlichen Anstieg der Stromkosten werden die Preise noch wichtiger. Elektroautofahrer und -Fahrerinnen schauen genauer hin, reagieren auf Direktangebote der Betreiber und sind offen für variable Tarife. Plug & Charge und Autocharge verbreiten sich weiter und ermöglichen Anbietern, Kunden mit mehr Komfort an sich zu binden. Dazu haben viele Einzelhändler die Chancen erkannt, dass sie mit Ladeangeboten Kundinnen und Kunden zum Einkaufen in ihre Ladengeschäfte ziehen und zusätzliche Umsätze generieren können.

Wo liegen die Chancen für die Servicebetreiber?

Die Veränderungen im Markt helfen einigen Anbietergruppen, ihre Position zu stärken. Für andere wird die Situation schwieriger. Die Studiendaten zeigen aber, dass jeder Ladeservice-Anbieter spezifische Stärken bietet. Ein Beispiel seien die Angebote der Navigation-Service-Provider (NSP). Als wichtigste Nutzungsgründe nennen Elektroautofahrerinnen und -fahrer die hohe Funktionalität, die gute Bedienbarkeit und die Aktualität der Informationen. In den anderen Kategorien bieten die anderen Anbietergruppen mehr.

Anbietergruppen müssen die spezifischen Stärken ihres Angebots aus Nutzersicht kennen und ausbauen. Gleichzeitig müssen sie prüfen, wie sie die Stärken ihrer Wettbewerber und für die Zielgruppe passende Mehrwertdienste im eigenen Angebot integrieren. So können sie ihre eigene Marktposition ausbauen.

Quelle: UScale – Pressemitteilung vom 15.11.2022

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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MMM:

Man braucht ein Apple- oder Google-Konto? Ist das so?
Weil die App über Google Services läuft? Anders nicht lösbar?
War nicht mal im Gespräch, dass eine allgemeine Zahlmöglichkeit (z.B. EC-Karte) eingeführt werden soll?

Steve:

Bei EnBW bin ich als Kunde offiziell unerwünscht. Das musste mir der Support letztlich so bestätigen, als klar wurde, dass es kein Ersatzerfahren zum Vertragsschluss gibt, wenn man aus gutem Grund weder „Kunde“ von Google oder Apple ist.
Der Service muss halt auch stimmen. Bei Maingau kann man notfalls alles telefonisch erledigen. Auch praktisch, wenn die App mal zickt.

bergfex:

@Norbert Seebach: Sie meinen, dass der Preis entscheidend ist. Wie soll das gehen, wenn ich den Preis an der Ladesäule gar nicht erkennen kann? Es ist zwar gesetzlich vorgeschrieben, dass eine Preisanzeige vorhanden sein muss, aber daran halten sich die Ladesäulenbetreiber nicht und von der Exekutive wird das nicht verfolgt. Ich bin heilfroh, dass ich meine beiden E-Autos zu Hause an der PV-Anlage laden kann. Das funktionierte in diesem Jahr von Februar bis einschl. November zu 100% und seit Dezember muss ich halt für den Strom zahlen, den ich aus dem Netz noch immer für 25 Cent bekomme. Habe halt rechtzeitig gewechselt, als die Strompreiserhöhungen im November 2021 absehbar waren und mir 2 Jahre Preisgarantie gesichert.

Norbert Seebach:

Wenngleich der Preis an der Ladesäule letztlich für geschätzt über 90% der Kunden das ausschlaggebende Kriterium ist, gibt es doch Unterschiede in der Servicequalität: So freue ich mich gerade im Winter oder auch bei Dauerregen, wenn Ladsäulen überdacht sind. Leider habe ich noch bei keinem Anbieter erlebt, dass Utensilien zur Scheibenreinigung in der Nähe verfügbar waren. Hier muten scheinbar alle Betreiber den E-Automobilisten zu, bis zur (meist ziemlich weit entfernten) Sprit-Tanke zu laufen. Gerade bei Abzockern wie Ionity (79Ct!) halte ich das für ein sehr schwaches Bild!

Philipp:

Ladeserviceanbieter bieten im Grunde kaum Service oder Mehrwert. Das Meißte kann jede Kreditkarte mit einer allgemeinen App auch. Markenbindung sehe ich nicht.
Es wird langfristig schwer werden für diese Anbieter, weil sie außer im Preis sich sonst nicht unterscheiden (können).

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