Second-Life: Goldgräberstimmung in einem hart umkämpften Markt

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
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Batterien sind ein kostbares Gut, schon ihre Rohstoffe sind gefragt wie nie, Auto- wie auch Batteriehersteller versuchen auf vielen verschiedenen Wegen, sich im Wettbewerb einen Vorteil zu verschaffen. Anbieter von Second-Life-Speicher warten währenddessen sehnsüchtig auf hohe Rücklaufquoten an Akkus von ausgedienten E-Autos, während aber die Fahrer der E-Fahrzeuge ihre Autos so lange wie möglich nutzen, da sie wegen Inflation und immer höheren Lebenserhaltungskosten finanziell mehr und mehr unter Druck geraten und eine Neuanschaffung so lange wie möglich aufschieben. Glücklicherweise haben sich Elektroauto-Akkus als deutlich haltbarer erwiesen, als es ihnen Stammtischpropheten zuschreiben. Und auch Recycler und Wiederverwerter scharren schon mit den Füßen, um an die wertvollen Rohstoffe aus gebrauchten Akkus zu gelangen.

Ring frei für einen Wettbewerb, der teilweise abstruse Züge annimmt.

Die Annahme, dass die Batterien von Elektroautos nur acht bis zehn Jahre halten und die Besitzer sie dann austauschen, ist einfach nicht wahr“, sagt Hans Eric Melin, Gründer des Beratungsunternehmens Circular Energy Storage (CES). CES verfolgt genau, wie sich die verfügbaren Menge und Preise für Batterien entwickeln. Melin geht davon aus, dass es noch eine Weile schwierig sein wird, das Geschäft mit Second-Life-Speichern wie von den Anbietern erhofft hochzuskalieren.

Es ist ein ziemlich bunter Markt: Etablierte Autohersteller wie vor allem Mercedes-Benz und Nissan engagieren sich im Second-Life-Bereich, hinzu kommen unzählige Start-ups, die sich eine gute Ausgangsposition für den Hochlauf dieser Energielösung sichern wollen. Berechnungen von Reuters zufolge haben Investoren, die an die Batterie-Kreislaufwirtschaft und den Second-Life-Markt glauben, gut 1 Milliarde US-Dollar, umgerechnet etwa 900 Millionen Euro, an Finanzmitteln für fast 50 Start-ups weltweit bereitgestellt.

Das Problem ist ein Mangel an alten Elektrofahrzeugbatterien, der sich so schnell nicht bessern wird. Denn das Durchschnittsalter von Autos, bis sie ausgemustert werden, steigt. Für Verbrenner liegt es in den USA derzeit laut S&P Global Mobility bei einem Rekordwert von 12,5 Jahren. Und alles deutet darauf hin, dass auch die meisten Elektroautos, selbst die mittlerweile gut zehn Jahre alten Pioniere, noch viele Jahre unterwegs sein werden. Erschwerend hinzu kommt für die Second-Life-Unternehmen: In attraktiven Stückzahlen sind Elektroautos erst seit Ende der 2010er-, Beginn der 2020er-Jahre auf dem Markt. Bis deren Akkus ihr zweites Leben starten, dürften noch einige Jahre ins Land gehen.

Es heißt also warten, wie auch Elmar Zimmerling sagt, Business Development Manager für Automotive beim deutschen Second-Life-Batterie-Startup Fenecon. „Es gibt derzeit so gut wie keinen Markt für Second-Life-Batterien“, sagt er. Innerhalb der kommenden fünf Jahre aber erwartet er einen „Tsunami“ an Batterien.

Gebraucht teurer als neu

Es ist ein riesiger Markt im Aufbau. Der neue Bericht „Second-life Electric Vehicle Batteries 2023-2033“ des Beratungsunternehmens IDTechEx prognostiziert, dass der Markt für E-Auto-Batterien im zweiten Leben bis 2033 einen Wert von 7 Milliarden US-Dollar (etwa 6,5 Milliarden Euro) erreichen wird.

Momentan herrscht also Goldgräberstimmung und harte Konkurrenz auf dem Markt. Immer mehr Unternehmen wollen gebrauchte E-Auto-Akkus für sich, was absurde Blüten treibt: CES zufolge sind die Preise für Akkus im Second-Life-Markt bis Ende 2022 auf 235 US-Dollar (etwa 210 Euro) pro Kilowattstunde gestiegen – etwa das Doppelte des Preises, den große Automobilhersteller für neue (!) Batterien zahlen. Kleines Rechenbeispiel: Um 2015 war das Tesla Model S das weltweit meist verkaufte Elektroauto. Allein der 85 kWh fassende Akku der damaligen Modellvariante „P85“ wäre fast 18.000 Euro wert. Obwohl er schon fast zehn Jahre in den Zellen hat.

Aufgrund der hohen Preise bieten Auto- und Batteriehersteller zunehmend stationäre Energiespeichersysteme mit neuen Batterien an – von Tesla über das britische Unternehmen AMTE Power, Sonnen aus Deutschland bis hin zum kroatischen Elektro-Sportwagenhersteller Rimac. Und die Nachfrage nach gebrauchten wie auch neuen Batterien zur Zwischenspeicherung von Strom wird voraussichtlich weiterhin stark ansteigen, da erneuerbare Energien immer wichtiger werden und es Lösung gebraucht wird, ihre schwankende Erzeugung auszugleichen. Bis 2030 könnte die weltweite Batteriekapazität für die Netzspeicherung von 16 GWh Ende 2021 auf 680 GWh anwachsen, schätzt die in Paris ansässige Internationale Energieagentur (IEA).

E-Auto kaputt? Her damit!

Erneuerbare Energie zu verschwenden können wir uns nicht weiter erlauben. Nicht nur wegen CO2, auch aus Kostengründen: Großbritannien kostet es jährlich knapp eines Milliarde Euro für die Abschaltung von Windparks, wenn das Netz den Strom nicht benötigt – es gibt aufgrund der Batterieknappheit noch keine Möglichkeit, ihn zu speichern. Hinzu kommt, dass Strom bei Engpässen wiederum aus anderen Ländern teuer eingekauft werden muss. Agora Energiewende zufolge liegen die Kosten, die durch die Abregelung von Windkraft entstehen, in Deutschland in einem ähnlichen Bereich.

Das US-Startup Smartville hat sich eine clevere Lösung einfallen lassen, um an Akkus aus E-Autos zu kommen: Es kauft ganze Pakete von Elektrofahrzeugen, die von Versicherern abgeschrieben wurden. Da Versicherer das Ausmaß und die Kosten auch nur geringfügiger Schäden an den Batterien von Elektroautos nicht abschätzen können, würden Autos der Einfachheit halber verschrottet, oft sogar Neufahrzeuge mit fast 100 Prozent Batteriekapazität. Smartville-CEO Antoni Tong schätzt, dass auf diese Weise bis 2026 jährlich mehr als 1 GWh an geretteten Batterien allein auf den US-Markt gelangen könnten.

„Das ist eine Gigafabrik auf Rädern“

Auch das in London ansässige Startup Zenobe hat aus der Not eine Tugend gemacht und arbeitet mit Busunternehmen zusammen, die auf Elektrobusse umsteigen wollen. Dabei kaufen die Busunternehmen die Busse, Zenobe wiederum kauft und verwaltet die Batterie – und sichert sie sich so schon von Vornherein als Second-Life-Energiespeicher.

Seit 2017 hat Zenobe rund 1,2 Milliarden US-Dollar (fast 1,1 Milliarden Euro) an Fremd- und Eigenkapitalfinanzierungen aufgenommen. Das Unternehmen besitzt insgesamt bereits 435 Megawattstunden an Batterien in rund 1000 Elektrobussen in Großbritannien, Australien und Neuseeland. Die Flotte soll bis 2025 auf 3000 E-Busse anwachsen.

Gründungsdirektor Steven Meersman sagte, sobald alle 40.000 Busse Großbritanniens elektrisch fahren, werden sie 16 Gigawattstunden an Batterien an Bord haben – was etwa einem Drittel des britischen Spitzenbedarfs im Jahr 2022 entspricht. „Das ist eine Gigafabrik auf Rädern, die nur darauf wartet, realisiert zu werden“, sagte er. Dass die Busse nicht mehr, dafür aber die Rubel rollen – es ist nur noch eine Frage der Zeit.

Quelle: Reuters – A second life for EV batteries? Depends how long the first is

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Tobias Claren:

Hallo.

Wie sieht es denn mit den Möglichkeiten aus privat gebrauchte Akkus zu kaufen?
Evtl. lohnt es sogar 10 E-Auto-Zellen in einem Pedelec-Dreirad unter zu bringen.
Welche Größe hätten die? Sind das diese oft blauen (?) Klötze so groß wie evtl. eine Packung Haferflocken?
10 wären nötig, da 36V. Bei 48 müsste man sogar 14 nehmen.
Auf einem Pedelec hätte man evtl. 40cm x 50cm oder auch mehr, Breit bis 70cm unter der Achse.
Vorteil, tiefer Schwerpunkt und kein Platzverlust.

Oder gibt es günstige Quellen für Second-Life-18650-Zellen?
Selbst kaputte Pedelec-Akkus aufkaufen (jedes Mal Porto drauf), und die Kaputten aussortieren und den Rest messen und sortieren, oder doch besser bei Händlern die die alten Batterien online zum Stückpreis in größeren Einheiten (zig), und oft auch nicht zerlegt (also ganze Inhalte aus Pedelec-Akkus) weiter verkaufen?
Ich las von jemand (erste Hand im Forum mit Fotos), der 15kWh für €600 aus 18650 im Keller für den Hausstrom zusammengepunktet hat.
Ich glaube das kam pro Stück auf um 13 Cent. Das was ich von Händlern finde kostet eher 35, 40, 45… Cent pro Stück, meine ich mich zu erinnern.
Er erwähnte auch eine Software die dann anhand der Batterien und ihrer Werte einen Plan errechnet wie die zu kombinieren sind.
Den Namen nannte er leider nicht. Wenn man z.B. eine Menge mit 1000mAh hat, und eine mit 2000mAh, müsste man aus den 1000ern doppelt so große Pakete machen, wie den 2000ern, aber sie dann doch zusammen in Reihe schalten.

Auf dem Dreirad wäre eine Kapazität von mindestens 1kWh, besser 1,5kWh oder etwas mehr natürlich nützlich.
Wegen der Beladung.
Man sagt ja, im Eco mit rund 500Ah 100km Strecke (also 50km Reichweite). Beim Dreirad mit Last eher die Hälfte.
Das wären nur 25km Reichweite. Evtl. auch weniger.
Bei den Kosten von dem mit 15kWh, währen 2kWh nur €80.
Wenn es die Natrium-Akkus schon zum versprochen günstigen Preis gäbe, die wären interessant.
geringere Kapazität (verglichen mit Second-Life aber auch nicht unbedingt), aber robuster als Lithium.
Auch bei niedrigen Temperaturen.

Matthias Meyer:

Ich verstehe die Argumentation aus Sicht eines 2nd Life Startups. Welchen Grund/Business Case gibt es aber für den Kunden von 2nd Life Batterien einen doppelt so hohen Preis zu zahlen? Ein Problem, das durch den Verzug zwischen Erstzulassung E-Fahrzeug und Zweitverwendung auch langfristig zu erwarten ist. Der Preis von 2nd Life Batterien müsste immer weit unter dem Preis von Neu-Batterien sein. Aus meiner Sicht sind die aktuellen Preise alleine durch die Venture Capital finanzierten Pilotierungen zu erklären. Damit Geld zu verdienen wird schwer.

Marc:

Langsam wird zweierlei verstanden: Erstens, 2nd Life und Recycling sind keine Lasten, sondern riesige finanzielle Chancen und die Möglichkeit für Deutschland, an „Bodenschätze“ zu kommen. Und, zweitens, die Flotte an Elektroautos ist ein dezentraler Speicher, der in Ruhephasen das gesamte Stromnetz und die Stromversorgung stabilisiert.

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