Was beim flächendeckenden Aufbau von Schnelllade-Standorten für E-Lkw zu beachten ist

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 5 min

Im Projekt „HoLa“ werden an fünf Standorten entlang der A2 zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet insgesamt acht Hochleistungsladepunkte mit dem Megawatt Charging System (MCS) für Elektro-Lkw aufgebaut und im realen Logistikbetrieb genutzt. Aus den bisherigen Forschungsergebnissen wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die wichtige Erkenntnisse für einen flächendeckenden bundesweiten Ladeinfrastrukturausbau beinhalten. Alle Ergebnisse wurden Ende der vergangenen Woche auf einer europäischen „HoLa“-Konferenz in Berlin vorgestellt und sind in einem Bericht festgehalten.

Um die Treibhausgasemissionen im Verkehr und speziell von schweren Lkw zu senken, müssen alle EU-Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren verpflichtend eine Infrastruktur für alternative Kraftstoffe aufbauen. Dazu zählt insbesondere auch der Aufbau öffentlicher Schnellladeinfrastruktur für Lkw entlang von Autobahnen. Parallel dazu bieten alle großen Lkw-Hersteller batteriebetriebene Serienmodelle an, was den akuten Bedarf für Ladeinfrastruktur zusätzlich unterstreicht.

Das vom Fraunhofer ISI koordinierte Projekt „HoLa – Hochleistungsladen Lkw-Fernverkehr“ widmet sich diesem Thema und baut an fünf Standorten insgesamt acht Hochleistungsladepunkte mit dem Megawatt Charging System (MCS) auf. Das Fördervorhaben umfasst drei Projektteile: Planung und Auswahl der Standorte, Aufbau und Planung von Schnellladepunkten sowie begleitende wissenschaftliche Analysen.

Am Projekt sind insgesamt zwölf Konsortial- und zehn assoziierte Partner aus Industrie und Forschung beteiligt – darunter die Lkw-Hersteller Daimler Truck, MAN, Scania, Traton und Volvo. Durch die Kooperation der 22 Partner entstehen wichtige Erkenntnisse für den Aufbau von Ladeinfrastruktur und Schnellladestandorten entlang von Autobahnen, aus denen im Projekt Handlungsempfehlungen erarbeitet wurden, die nun erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert wurden.

Über 250 Teilnehmer:innen aus 18 europäischen Ländern diskutierten dort unter anderem über Herausforderungen und Lösungsansätze beim Megawatt-Laden von Batterie-Lkw. Eröffnet wurde die Konferenz von Daniela Kluckert, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), welches das Projekt „HoLa“ als Innovationscluster für klimafreundliche Lkw-Antriebstechnologien fördert.

Massiver Ausbau von Lkw-Ladestandorten bis 2050

Eine EU-Verordnung legt bereits konkrete Mindestziele hinsichtlich einer öffentlichen Lkw-Ladeinfrastruktur für alle EU-Mitgliedsstaaten fest: So müssen etwa mit Blick auf Deutschland bis 2025 insgesamt 32 Lkw-Ladeorte entstehen, bis 2027 sind es bereits 104 und bis 2030 schließlich 314 Lkw-Ladestandorte. Die damit einhergehende Ladeleistung für E-Lkw steigt von etwa 66 Megawatt im Jahr 2025 auf 918 Megawatt im Jahr 2030 an. In der EU-Verordnung ist ebenfalls geregelt, dass Schnellladeinfrastruktur für batterieelektrische Lkw alle 60 bis 100 Kilometer entlang der wichtigsten deutschen Autobahnen zur Verfügung stehen muss.

Daraus ergibt sich die Frage nach geeigneten Standorten, ihrer Konzeption und nach der Anzahl an Standorten und Ladepunkten über die vorgegebene Mindestmenge hinaus. Die Forschenden kommen zum Ergebnis, dass ein Startnetzwerk für Deutschland etwa 142 Ladestandorte umfassen sollte. Das zugrundeliegende Szenario sieht dabei vor, dass Elektro-Lkw 2030 während der gesetzlich vorgeschriebenen Lenkzeitunterbrechung von 45 Minuten nach viereinhalbstündiger Fahrt nachgeladen und etwa 15 Prozent aller schweren Lkw batterieelektrisch betrieben werden, wobei maximal die Hälfte der Ladevorgänge an öffentlicher Ladeinfrastruktur stattfindet.

Unter Berücksichtigung des lokalen Verkehrsaufkommens und dessen Verlaufs sehen die Forschenden bei einer angenommenen Wartezeit von maximal fünf Minuten zur Hauptverkehrszeit einen Bedarf von mindestens 1000 Ladepunkten für Deutschland im Jahr 2030 und bei schnellerer Marktdurchdringung von E-Lkw im Fernverkehr sowie längeren Standzeiten von eher 2000 Ladepunkten. Dies stelle eine Mindestmenge an Ladeinfrastruktur sicher und umfasse sowohl große Stationen mit mehr als zehn Ladepunkten sowie auch kleinere mit mindestens zwei Ladepunkten.

Netzbetreiber sollten Bereitstellung von Ladeleistung vorausschauend planen

Um noch konkretere Aussagen zur benötigten Ladeinfrastruktur und den Bedarfen machen zu können, empfehlen die Forschenden umfangreiche Erhebungen mit Informationen zum zeitlichen und räumlichen Fahrverhalten von Elektro-Lkw sowie eine Vereinheitlichung von Daten zum Stromnetz und zur verfügbaren Anschlussleistung, um den Aufbau elektrischer Infrastruktur zu beschleunigen.

Darüber hinaus sollte auch eine Veröffentlichung von lokalen Kapazitätsdaten auf Mittelspannungsebene entlang der Autobahnen durch die Netzbetreiber angestrebt werden und diese die Bereitstellung von mehr Ladeleistung vorausschauend planen können – gerade nahe der Autobahnen oder anderen zentralen Verkehrsknotenpunkten mit zu erwartendem hohen Ladebedarf, was den Ladeinfrastrukturausbau insgesamt beschleunigen könnte.

Im Projekt wurden außerdem Simulationen einer zukünftigen Batterie-Lkw-Flotte auf Basis vorliegender Fahrprofile von 2400 Diesel-Fahrzeugen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass sich bei einer Batteriegröße von maximal 700 Kilowattstunden im Jahr 2030 und 900 Kilowattstunden im Jahr 2050 durchgängig deutlich mehr als 90 Prozent dieser fiktiven Lkw-Fahrzeugflotte elektrifizieren ließen und für die Mehrheit der Ladevorgänge eine Langsam-Ladeinfrastruktur ausreichen würde, in der Regel auf privatem Gelände mit maximal 44 Kilowatt Ladeleistung. Das Laden mit mehr als 350 Kilowatt, also voraussichtlich mit dem neuen Megawatt-Ladestandard MCS, wird insbesondere für Langstreckenfahrzeuge zum Zwischenladen genutzt und findet überwiegend an öffentlichen Ladestationen statt.

Schnell- und Langsam-Ladestationen sollten kombiniert werden

Priv.-Doz. Dr. Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Fraunhofer ISI und HoLa-Gesamtprojektleiter, ergänzt: „Auf der HoLa-Konferenz wurde sowohl seitens der Lkw-Hersteller als auch seitens der anwesenden Logistikunternehmen und der Politik deutlich, dass die Bedarfe an verfügbaren Schnellladestationen mit MCS-Ladetechnologie in den kommenden Jahren massiv wachsen werden“.

Um diese Bedarfe zu bedienen, sollten MCS-Ladestationen entlang von wichtigen Langstreckenachsen ausgebaut sowie mit Langsam-Ladestationen auf öffentlichen und privaten Stellflächen kombiniert werden, erklärt Plötz: „Da die Flächen entlang von Autobahnen begrenzt sind, müssen die Ladestationen an Autobahnen möglichst platzsparend errichtet und auch Flächen neben Autobahnen mitgedacht werden. Eine gemeinsame Nutzung von Lkw-Ladeorten für MCS-Laden, Übernachtladen oder das Laden von Pkw mit Anhängern kann die Auslastung der Ladeorte erhöhen und den Flächendruck mildern.“

Das Projekt HoLa wird im Rahmen der Förderrichtlinie Elektromobilität mit insgesamt 12 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert und im Rahmen der Umsetzung des Gesamtkonzeptes Klimafreundliche Nutzfahrzeuge als Technologie- und Erprobungsprojekt durchgeführt. Fördermittel dieser Maßnahme werden auch im Rahmen des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP) über die europäischen Aufbau- und Resilienzfazilitäten (ARF) im Programm NextGenerationEU bereitgestellt. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt..

Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 07.03.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Daniel W.:

FCEV könnten mehr Ökostromüberschuss nutzen, aber sie würden auch rund 60% des Ökostromüberschusses im Vergleich zum BEV verschwenden – da gibt es sicher bessere Verwendungsmöglichkeiten für den Ökostromüberschuss und selbst ein zeitweises Abschalten der Windräder dürfte günstiger sein.

Meine Berechnungen berücksichtigen den CO2-Ausstoß beim Strommix im Kraftwerk, in der Raffinierie, am Auspuff und bei der Batterieproduktion.

Nicht berücksichtigt wurde der CO2-Ausstoß bei der Produktion der Brennstoffzellen und der Wasserstofftanks für FCEV.

Wie wäre es hier auch mal Zahlen beizusteuern, die das Gesagte belegen können?

Jakob Sperling:

Daniel, du warst schon besser.
Die Berechnungen sind dermassen schief, bzw. unvollständig, dass man gar nicht weiss, wo man beginnen soll.

Es wurden hier ja schon diverse ausführliche Studien präsentiert, die grosso modo besagen, dass FCEV minim mehr CO2 produziert als BEV und Diesel meilenweit schlechter ist al die beiden *EV. Das müsste dich bezüglich deiner Berechnungen nachdenklich stimmen.

Kommt hinzu, dass man in keiner Berechnung die Tatsache richtig berücksichtigen kann, dass H2, bzw. FCEV primär dann und dort Strom konsumiert, wo er im Überfluss vorhanden ist, somit eine Puffer-Wirkung hat und dafür sorgt, dass es weniger Infrastruktur für die Erzeugung der Maximallast braucht. Das ist sehr systemdienlich und von einem unschätzbaren Wert, den man erst beim Vollausbau der nachhaltigen Erzeugung adäquat schätzen wird.

Daniel W.:

Als Antwort auf den Kommentar von Jakob Sperling – hier einige Zahlen und Berechnungen:

—–
Fahrleistungserhebung 2014

Mittlere Fahrleistung pro Kfz und Jahr (in km)
Kraftomnibusse . . . . . . . 51.309
Lkw . . . . . . . . . . . . . . . . 23.891
Sattelzugmaschinen . . . 99.692
(Quelle: bast.de – Bundesanstalt für Straßenwesen)
—–
Emissionsfaktor der Stromerzeugung 2023 bei 380,85 g in CO2-Äquivalenten pro Kilowattstunde
(Quelle: de.statista.com)
—–
Bei der Batterieherstellung werden ca. 75 kg CO2eq/kWh emittiert.
(Quelle: gruene-bundestag.de)
—–

Sattelzug 99.692 km im Jahr wären umgerechnet auf kWh beim Stromverbrauch und CO2-Ausstoß.

A) Pro 100 km:

Diesel bei 33 Liter auf 100 km + Strom für Raffinerie 52,8 kWh >> 87,45 kg + 20,11 kg = 107,56 kg CO2
BEV bei 160 kWh auf 100 km = Strom an Ladesäule 160 kWh >> 60,94 kg CO2 (Strommix)
FCEV bei 8 kg auf 100 km = Strom für Elektrolyse ca. 400 kWh >> 152,34 kg CO2 (Strommix)

B) Im 1. Jahr (in Tonnen):

Diesel = 107.229 kg CO2
= 107 Tonnen CO2 (gerundet)

BEV = 60.752 kg CO2 (gerundet 61 Tonnen CO2)
+ Batterieherstellung 700 kWh (gerundet 52 Tonnen CO2) (Anm: 700 kWh wären gut 400 km Reichweite)
= 113 Tonnen CO2

FECV = 151.871 kg CO2 (rund 152 Tonnen CO2)
+ Batterieherstellung 164 kWh (Nikola) (gerundet 12 t CO2)
= 164 Tonnen CO2

Nach 10 Jahren mit Strommix von 2023:

Diesel . . . . . . . . . . . . . 1.070 Tonnen CO2
BEV . . . . . . . 608 + 52 = 660 Tonnen CO2
FCEV . . . 1.519 + 12 = 1.531 Tonnen CO2

Philipp:

„das nur einmal in einem Jahr mehr können sollte, als die Batterie hergibt, ist schon nicht mehr tauglich“

Warum muss ich für eine Fahrt je Jahr das teurere Fahrzeug nehmen? Bitte kurz betriebswirtschaftlich erklären, wieso sich das rechnet und nicht für die eine Fahrt dann längere Ladezeiten einfach in Kauf genommen werden können, bzw. einfach eine Spedition für die eine Fahrt genommen wird oder man im Fahrzeugpool einfach nur ein Fahrzeug für länger Strecken hat und den Rest dafür dann nicht verwendet.

Was ist also die betriebswirtschaftliche Rechfertigung für so eine Geldvernichtung?

Jakob Sperling:

Es gilt zu bedenken, dass 90% der Fahrten bei Weitem nicht 90% der Fahrzeuge bedeutet. Jedes Fahrzeug, das nur einmal in einem Jahr mehr können sollte, als die Batterie hergibt, ist schon nicht mehr tauglich. Aus Sicht eines Fahrzeugs geht eben weniger (als die maximale Kapazität) immer, mehr aber nie.

C.c. ein 150/150/30-FCEV ist nützlicher und ökologischer als ein ein 750kWh-BEV.

Philipp:

90% der Fahrten ist schon einmal eine Information, entspricht aber der gefühlten Temperatur.

Mich würde noch interessieren, wieviel der LKW die auf der AB unter diese Zahl fallen.

Sind auf der von mir häufig befahrenen A9 einfach ein LKW nach dem anderen. Wenn diese Mittags irgendwie parallel laden wollten, ist das schon eine Menge. Wenn das aber nur 10% betrifft, ist es wieder überschaubarer.

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