EU-Verordnung AFIR dürfte öffentliches Laden teurer machen

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Ab dem 13. April gelten für neu errichtete Ladestationen für Elektroautos geänderte Regeln für den Bezahlvorgang. Öffentlich zugängliche DC-Schnellladepunkte ab 50 kW Ladeleistung müssen ab diesem Zeitpunkt mit einem Kartenleser oder einer kontaktlosen Bezahlmöglichkeit für die Ad-Hoc-Bezahlung ausgerüstet sein. Aber auch die meisten heute am Markt verfügbaren AC-Ladesäulen seien ab diesem Zeitpunkt in dieser Form nicht mehr zulässig, so der Bundesverband Beratung neue Mobilität e.V. (BBNM) in einer aktuellen Mitteilung.

Durch die dann greifende europäische Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) werde die bislang gültige deutsche Ladesäulenverordnung (LSV) in weiten Teilen unwirksam. Dies bestätigte das zuständige Referat IVA6 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dem BBNM auf Nachfrage.

Bislang wurde in der Branche damit gerechnet, dass die Neuregelung gemäß LSV-Novelle zum 1. Juli kommt. Nun tritt die AFIR-Verordnung EU-weit, wie im Amtsblatt der EU im vergangenen September mitgeteilt, fast drei Monate früher in Kraft und unterscheidet zwischen Ladesäulen mit mindestens 50 kW mit Kartenleser und Pin-Eingabe-Möglichkeit sowie Ladesäulen mit geringeren Ladeleistungen, für die ein dynamischer QR-Code ausreichend ist.

Dafür genügt jedoch kein Aufkleber mehr, wie es bislang an vielen Säulen der Fall ist, da jeder QR-Code individuell für den Start und die Bezahlung des Ladevorgangs erstellt werden muss. Ladesäulen mit weniger als 50 kW Ladeleistung, meist AC-Lader, müssten künftig wohl über ein Display verfügen, um die QR-Codes anzeigen zu können. Der Zahlvorgang muss zudem über ein entsprechendes Backend und eine sichere Datenverbindung abgewickelt werden. Die Umsetzung wird voraussichtlich deutliche Mehrkosten für öffentliche Ladeinfrastruktur nach sich ziehen.

Wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts“ sei die deutsche LSV ab dem 13. April in Teilen unanwendbar, teilt das zuständige Referat dem BBNM mit, verweist allerdings darauf, dass man keine rechtssicheren Aussagen treffen könne, da die Auslegung in letzter Instanz Sache des Europäischen Gerichtshofs sei. Die Europäische Kommission wolle zudem zeitnah einen Leitfaden zur Auslegung des AFIR veröffentlichen. Darin soll dann unter anderem beschrieben werden, was die Mindestanforderungen für die Erfüllung der Kriterien sind. Die LSV werde nun zwar überarbeitet, allerdings gehe es dabei vor allem um Streichungen von Passagen, die durch AFIR unwirksam werden.

Politisch gut gemeint, aber herausfordernd in der Umsetzung

Hintergrund der neuen Verordnung ist der Wunsch nach einer einheitlichen Zahlfunktion, die innerhalb der EU an allen Ladestationen gleichermaßen funktioniert. Was politisch gut gemeint sei, stelle die Anbieter, Projektierer und Berater bei der Umsetzung allerdings vor große Herausforderungen, so der BBNM. Aufgrund der Mehrkosten werde insbesondere bürgernahe Ladeinfrastruktur für Laternenparker nun kaum mehr wirtschaftlich zu betreiben sein.

Die Anforderungen sind mit den meisten am Markt angebotenen AC-Ladestationen und Backend-Lösungen nicht realisierbar“, erklärt Andreas Varesi als geschäftsführender BBNM-Vorstand. „Neben den Kosten für die nötige Hardware fallen je nach Bezahlart unterschiedliche Transaktionsgebühren an, die auf die Verbraucher umgelegt werden. Das ohnehin mit hohen Zusatzkosten und Gebühren belastete öffentliche Laden wird somit noch einmal teurer“, sagt Varesi.

Zudem dürften je nach technischer Umsetzung und Anbieter die Preise für Ad-Hoc-Laden stark variieren. „Um die in der Preisangabenverordnung (PangV) vorgeschriebene Preistransparenz zu gewährleisten, wäre es verbraucherfreundlicher, auch bei Ladestationen mit NFC-Reader zusätzlich ein Display zu installieren – selbst wenn das in der AFIR so explizit nicht gefordert wird“, führt Varesi aus.

Der Verband will seine Mitglieder „zeitnah zu den neuen Gegebenheiten schulen, um auch nach dem 13. April eine rechtssichere Umsetzung von Ladeinfrastruktur-Projekten zu ermöglichen“, versichert Varesi. Vor allem für Charge Point Operator (CPO) dürfte nun dringender Beratungsbedarf entstehen.

„Das verursacht deutlich steigende Kosten für Ladestationen“

Auch das Unternehmen Hymes Energy, spezialisiert auf die Installation von Schnellladeinfrastruktur im gewerblichen Kontext, geht von höheren Kosten für die Verbraucher aus. Außerdem erfüllen dem Unternehmen zufolge die wenigsten der aktuell auf dem Markt verfügbaren Ladestationen diese neuen Bedingungen bereits.

Das verursacht deutlich steigende Kosten für Ladestationen“, ist Markus Häp, Geschäftsführer von Hymes Energy, überzeugt – ganz abgesehen davon, dass deren Hersteller erst einmal passende Produkte zur Verfügung stellen müssten. „Wer ohnehin Ladeinfrastruktur installieren möchte, sollte aus unserer Sicht nun rasch aktiv werden“, sagt er. Zum einen ließen sich damit noch Kosten einsparen, zum anderen zeitliche Verzögerungen vermeiden, bis passende Ladestationen überhaupt in ausreichend großer Zahl zur Verfügung stehen.

Wer jetzt schnell handelt, der kann jede Menge Geld sparen“, ist sich Häp, sicher. Denn für vor dem Stichtag installierte Ladestationen gilt Bestandsschutz. Allerdings nur, sofern sie nicht an einem der TEN-V-Korridore liegen, was auf mehrere Autobahnen in Deutschland zutrifft. Denn laut AFIR gilt für Ladepunkte an TEN-V-Korridoren ab 50 kW Leistung eine Nachrüstungspflicht bis zum 01. Januar 2027, unabhängig vom Datum ihrer Inbetriebnahme.

Quelle: BBNM – Pressemitteilung vom 15.01.2024 / Hymes Energy – Pressemitteilung vom 15.01.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Max:

Ich kann die Kritik in weiten Teilen nicht nachvollziehen. Insgesamt sind die Regeln doch angemessen und mittelfristig zu geringen Kosten umsetzbar. Anders als die Vorgabe eines Kartenterminals aus der nun abgelösten Ladesäulenverordnung können Displays für die dynamischen Anzeige von QR Codes zu sehr geringen Kosten (1 bis maximal 2-stellunger Euro Bereich) integriert werden und fallen kaum ins Gewicht.

Manuel:

Die Verbesserungen für das ad-hoc-Laden waren dringend nötig. Aber die Verpflichtung zum Roaming hätte man gerne aus AFIR streichen können. Das ist der reinste Kostentreiber für alle Beteiligten und einfach nicht mehr zeitgemäß.

Leon:

Ihr habt noch nie von laufende Betriebskosten gehört?
Was viel höhere Kosten sind?
Mehrkosten je AC Ladestation rund 2.000,- bis 2.500,-€ einmalig für KK Terminal mit PIN Pad. Monatliche Betriebskosten KK Terminal mit Pin Pad 20,-€ ohne Transaktionsgebühren. Durchschnittliche Lebensdauer Ladestation rund 7 Jahre (dann nicht mehr eichrechtskonform). Demnach Betriebskosten über sieben Jahre 1680,-€ + 2.000,- € = 3.680,-€. Jährliche Wartung nicht eingerechnet (muss gemacht werden).
Bei 100 Transaktionen im Jahr entstehen bei diese Ladesessions pro Ladevorgang Mehrkosten von 5,25 € im günstigsten Fall.
Sind Sie bereit diese Kosten zu übernehmen?

Tim Wolf:

Eher typischer Fall von Lobbyerfolg. Absender dürften Visa, American Express etc. gewesen sein…

Michael Neißendorfer:

Bitte auch mal in die Zukunft denken bei sowas: Wenn es sich damit mittelfristig europaweit erledigt, dass man mehrere Ladekarten braucht, für die zum Teil eine Grundgebühr fällig wird, wäre das durchaus ein Nutzen für alle E-Autofahrer – und ein Argument weniger für die, die noch damit zögern, sich ein E-Auto zu kaufen. Der Unsicherheitsfaktor ist, wie die Preise sich entwickeln.

Nik8888:

Und wer genau will da jetzt dann per Karte zahlen?

Warum muss man das regulieren?

Nik8888:

Typischer Fall von Überregulierung

Dieses Gesetzt bringt 99% der eAutofahrer NULL Nutzen

Friedemann:

Genau so sieht’s aus. Schnelllader kosten eher 50-100k. Und auch einfache Säulen sind nicht umsonst. Ein Display anbringen wäre schon von Anfang an einfach nur sinnvoll gewesen. Und kostet quasi nichts. Und auch die Möglichkeit, per Karte zu zahlen, kann kein Hexenwerk sein!
Laut Statistik sind Säulen, egal ob AC oder DC, zu grob 12% ausgelastet. Also ca. 900 Stunden im Jahr. Da kommt man also auf grob 100 Transaktionen pro Jahr. Und ne Säule hält ja auch ein bisschen. Was sollen denn da die signifikanten Mehrkosten sein?

Philipp:

Mal wieder viel gejammer und keine einzige Zahl. Was sind denn die „viel höhere Kosten“?

Die Installation einer einfachen Ladesäule kostet heute schon knapp 10k€, was soll da die Einrichtung eines Displays denn kosten um „viel“ zu erklären?

Und welche Ladesäulen wollen denn die Ladesäulenhersteller in Europa demnächst verkaufen, wenn diese das Display nicht einbauen?

Und einen Vorschlag wie man Adhoc laden kann ohne bei jeder Ladesäule eine eigene App installieren zu müssen, machen sie auch nicht.

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