Mit dem E-Auto auf den Straßen von Indien

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Stefan Grundhoff
Stefan Grundhoff
  —  Lesedauer 5 min

Die indischen Straßen gelten als mit die turbulentesten und gefährlichsten auf der Welt. In den Millionenagglomerationen von Mumbai, Pune oder Delhi wird im Alltag auf zwei, drei oder vier Rädern zumeist ohne jede Aggression um jeden Zentimeter Platz gekämpft. Gerade recht für eine entspannte Ausfahrt im BMW iX.

Indien ist Wirtschaftsgroßmacht und Entwicklungsnation zugleich. Seit mehr als einem Jahr hat der Subkontinent mehr Einwohner als China – rund 1,5 Milliarden Menschen. Und auch wenn die Eisenbahn jahrzehntelang wichtiger denn je war, finden die meisten Transporte von Menschen und Gütern längst auf der Straße statt. Doch von den mehr als drei Millionen Kilometern Straßennetz ist nicht einmal die Hälfte asphaltiert und selbst jene gepflasterten Pisten sind zumeist zerborsten oder von Sonne und Regen ausgewaschen. Kein Wunder, dass gerade preiswerte Geländewagen in Indien begehrter sind denn je.

Wer es sich leisten kann, kauft sich einen Suzuki Jimny, der hier auch als Viertürer angeboten wird, oder den rustikalen Force Motors Gurkha. Beide Offroader kommen auch dann weiter, wenn der Straße einmal wieder die Befestigung ausgegangen ist. Ganz so rustikal kommt der BMW iX auch in Indien nicht daher, doch Bodenfreiheit und Allradantrieb sorgen dafür, dass hier nicht an der ersten Bodenunebenheit Schluss ist.

Anders als die meisten anderen Fahrzeuge wird der BMW iX elektrisch angetrieben und das irritiert gerade bei langsamer Innenstadtfahrt nicht allein die Inder, von denen sich die meisten auf der Straße fortbewegen, egal, ob sie mit einem Gefährt oder zu Fuß unterwegs sind. Auch die Kühe schauen beim surrend vorbeifahrenden Bayern mehr als verwundert. Radfahrer, Roller, Motorräder, Pkw oder die allseits beliebten Kleinlaster – selbst in der 670.000-Einwohner-Stadt Udaipur ist an diesem Vormittag mächtig etwas los.

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Im Februar gibt es hier jedoch nur wenige Touristen, die sich die Sehenswürdigkeiten wie den weißen Monsoon Palace, den Innenstadtpalast oder die Jagmandir Insel ansehen, auf der Anfang der 1980er Jahre große Teile des James-Bond-Streifens „007 – Octopussy“ gedreht worden. Auch wenn sich die Zahl der Elektroautos in der für indische Verhältnisse kleinen Stadt im Rahmen hält, gibt es zahlreiche Ladesäulen. Die sind zwar nicht alle so flott wie der Hypercharger am schicken Oberoi Hotel am Ufer des Pichola Sees, aber Reichweitenängste muss hier trotzdem niemand haben. Anbieter wie Tata Power, ZEV, Statiq oder Sun Fuel sorgen dafür, dass in großen Teilen der Stadt geladen werden kann. Die Ladesäulen finden sich nicht nur auf dem Navigationsdisplay des schwarzen BMW iX xDrive40, sondern auch auf der normalen Google Karte oder bei Plug Share.

Gab es 2018 auf indischen Straßen gerade einmal 20.000 Elektrofahrzeuge (Zwei- und Vierräder), so wurden 2023 fast 1,2 Millionen Modelle mit Elektroantrieb verkauft – die meisten davon natürlich Elektroroller. Neben dem Netz an Ladesäulen stehen die hohen Kaufpreise einem Verkaufserfolg der Elektroautos im Wege. Obwohl das Land mit seinen rund 1,5 Milliarden Einwohnern Millionen von Rollern, Rikschas und Auto auf seinen Straßen transportiert, gibt es aktuell in über 800 Städten nicht einmal 10.000 Ladestationen. Die Hälfte davon gehört zum Ladenetz von Tata EZ Charge. In der Region Rajasthan sind es insgesamt gerade einmal 254.

Das meistverkaufte Elektroauto ist der Tata Nexon EV, der mit seinem 40,5-kWh-Batteriepaket immerhin gut 320 Kilometer bis zum nächsten Ladestopp schaffen soll. Mit einem Preis von knapp 1,6 Millionen Rupien (17.570 Euro) ist er deutlich teurer als die beiden elektrischen Einstiegsmodelle Tata Tigor. In seinem besten Monat (September 2023) wurden vom Tata Nexon EV knapp mehr als 6000 Fahrzeuge verkauft. Auf dem gleichen Preisniveau liegt der beliebte Mahindra XUV 400, während der MG ZS EV für umgerechnet mehr als 25.000 Euro als absolutes Topmodell gilt.

In ganz anderen Sphären ist das Luxusmodell des BMW iX xDrive40 unterwegs, der als Elektrovariante in Indien ebenso angeboten wird wie die BMW-Stromer iX1, i4 und i7. Im Gegensatz zu den anderen elf angebotenen Fahrzeugen – vom BMW 2er bis zum X7 – werden die Elektromodelle jedoch aktuell nicht lokal im BMW-Werk in Chennai produziert.

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Die indische Regierung hat in den kommenden Jahren viel vor, um mehr Elektromodelle auf die Straße zu bekommen. Bis 2030 soll ein Drittel aller neu zugelassenen Fahrzeuge elektrisch sein. Die Zahl der Ladesäulen soll bis zum Jahr 2027 auf 100.000 Einheiten ansteigen. So richtig schnell lädt es sich hier jedoch nicht und von einem Hypercharger fehlt jede Spur. So liefern die Ladesäulen maximal 50 Kilowatt, zumeist sind es 25 bis 30 kW. Die gute Nachricht: Warten muss an den Ladesäulen niemand, denn dafür gibt es aktuell schlicht noch zu wenige Fahrzeuge mit Stecker. Gerade hustet sich ein Maruti-Suzuki Kleinlaster vorbei gefolgt von einem Tata-Pick-Up – aus beiden raucht es düster aus dem Auspuff heraus. Das gefällt weder Mensch noch Tier und gerade in dieser Region muss man nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten immer wieder mit größeren Tieren im Verkehrsgeschehen rechnen.

Dabei sind Transportochsen oder Touristenkamele weit weniger gefährlich als die allgegenwärtigen Kühe, die im Hinduismus Kultstatus haben und daher auch im turbulenten Straßenverkehr machen können, was sie wollen. Nur mit Gefühl und viel Zeit geht es an den Kleingruppen von Kühen vorbei Richtung Innenstadt. Die Straßen sind staubig, nein dreckig und obschon überall gefegt oder geputzt wird, sieht der schwarz lackierte BMW iX nach einer Stunde auf den Straßen von Rajasthan aus, als hätte er einige Spurtetappen der Rallye Dakar überaus erfolgreich zurückgelegt.

Doch um Schnelligkeit geht es nicht, denn selbst wenn die Straßen einmal frei sind, gibt es in Indien überraschend streng kontrollierte Tempolimits. Die sogenannten National Highways mit ihren mehr als 60.000 Kilometern an Streckennetz sind nur teilweise gut ausgebaut, bremsen einen jedoch auch dann mit schmerzhaften Temposchwellen auf Schritttempo immer wieder ein. Seit 20 Jahren versucht Indien, der Zahl der Verkehrstoten Herr zu werden, denn in keinem Land der Erde sterben mehr Menschen im Straßenverkehr; auch weil sich die Fahrzeuge oftmals in einem katastrophalen technischen Zustand befinden. Das dürfte sich mit immer mehr modernen Elektroautos ebenfalls ändern, die über moderne Sicherheitsausstattungen verfügen. So werden die E-Autos zu echten Lebensrettern.

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Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff

Stefan Grundhoff ist Firmeninhaber und Geschäftsführer von press-inform und press-inform consult. Er ist seit frühester Kindheit ausgemachter Autofan. Die Begeisterung für den Journalismus kam etwas später, ist mittlerweile aber genau so tief verwurzelt. Nach Jahren des freien Journalismus gründete der Jurist 1994 das Pressebüro press-inform und 1998 die Beratungsfirma press-inform consult.

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alchemist:

Ein Bericht aus einem der vergleichsweise reicheren Bundesstaaten, der einiges an Sozialneid in den Kommentaren provoziert hat. Ich frage mich, ob diese Kommentatoren Indien jemals bereist haben. Das Land hat nie egalitären Ansprüchen genügt, man denke nur an das Kastensystem. Dank einer glücklichen Wirtschaftspolitik wächst die Mittelschicht und damit der Markt für entsprechend höherwertige Automobile. Gut so, und die ärmeren Inder werden es deren Besitzern sicher gönnen, denn sie wissen, dass der Wohlstand meist mit Fleiss, Geschick und Lebenszeit erkauft wird und nicht vom Himmel fällt.

Peter:

Hat nicht irgendso ein indischer Milliardär gerade eine Hochzeits Vorparty für 100 Millionen Dollar und mit vielen internationalen Topstars geschmissen? Und die richtige Hochzeitsfeier steigt noch im nächsten Jahr. Es gibt dort auch viele reiche Menschen wie Unternehmer, Popstars und Schauspieler und die werfen mit dem Geld nur so um sich.

Smartino:

Die Bilder zeigen auf brutale Art, wie deplatziert die klotzigen und dekadenten Elektro-Nobel-Hobel sind im Umfeld der einfachen Bevölkerung, die täglich für ein paar Rupien kämpfen muss, um sich das Überleben zu sichern.

Für einen dieser Elektro-Nobel-Hobel (hier mit Elefantennieren) könnten wahrscheinlich rund 20 Elektro-Tuktuks oder einfache Transportvehikel gekauft werden, wodurch 20 Familien ein bescheidenes Auskommen hätten.

brainDotExe:

Indien steht jetzt dort, wo China vor ein paar Jahrzehnten stand.
Die Anzahl der Leute, welche zum einen das Geld für ein Premiumfahrzeug haben und auch bereit sind es dafür auszugeben steigt.

Die “ großen und schweren Elektro-Nobel-Hobel“ sind also nicht deplatziert, sondern genau richtig weil sie den Nerv der Zeit treffen.

Daniel W.:

Die großen und schweren Elektro-Nobel-Hobel sind gerade in Indien vollkommen deplatziert. Leisten können sich solche teuren E-Autos nur die ganz Reichen, die nicht wissen wohin mit dem vielen Geld, das sie zuvor den Armen abgenommen haben.

Das Land braucht viele kleine und günstige E-Fahrzeuge mit günstigen Batterien, die an jeder Ecke geladen oder ausgetauscht werden können. Dadurch kann Indien auch sehr viele Resourcen sparen, die Luft in den Städten verbessern und es dürfte auch viel günstiger sein.

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Benzinpreis in Indien aktuell umgerechnet rund 1,10 Euro pro Liter
Strompreis privater Haushalte in Indien Juni 2023 rund 0,07 Euro pro kWh
Im Jahr 2022 knapp 3/4 des Stroms in Indien aus Kohle erzeugt
(Quellen: Verschiedene)
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Vom Preis her würde in Indien 1 Liter Benzin etwa 15 kWh Strom entsprechen, ein sehr großer Preisvorteil für E-Fahrzeuge.

Strom in Indien ist zum Großteil noch Kohlestrom, aber in dem sonnenreichen Land ließe sich durch günstige PV-Module auf den vielen Dächern günstiger Ökostrom vor Ort erzeugen, um Haushalte und Fahrzeuge zu versorgen, somit wären auch die vielen kleinen E-Fahrzeuge günstig und sauber unterwegs.

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