Woher Deutschlands grüner Wasserstoff kommen könnte

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte Ammoniak, Methanol und synthetisches Kerosin speichern Strom aus Sonne und Wind, um diesen aus weiter entfernten Regionen energieeffizient nach Europa zu transportieren. Gleichzeitig sind viele Industrien, die nicht direkt Strom als Energieträger einsetzen können, zukünftig angewiesen auf diese klimaneutralen Alternativen zu fossilem Gas und Öl. Der Einsatz von Wasserstoff in Pkw und Lkw gilt aufgrund der hohen Kosten allerdings als unwahrscheinlich.

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat im Auftrag der Stiftung H2Global für 39 Regionen in von der Stiftung vorausgewählten zwölf Ländern untersucht, wo die Herstellung solcher Power-to-X-Produkte (PtX) bis zum Jahr 2030 in Verbindung mit dem Transport nach Deutschland am günstigsten umsetzbar wäre. Das Ergebnis: Für den Import grünen Ammoniaks, Methanols und Kerosins bieten Brasilien, Kolumbien und Australien besonders gute Bedingungen. Importe von gasförmigem grünem Wasserstoff könnten aus Südeuropa oder Nordafrika stammen, sofern dafür rechtzeitig Pipelines zum Transport zur Verfügung stehen.

Nachhaltig erzeugter Wasserstoff und seine Derivate werden in bestimmten Teilen des Energiesystems unverzichtbar sein“, sagt Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Institutsleiter am Fraunhofer ISE. „Nach unseren Berechnungen sind Importe eine notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Ergänzung zur lokalen Wasserstofferzeugung.“ Power-to-X-Projekte im Gigawatt-Leistungsmaßstab, die diese Studie betrachtet, haben lange Planungs- und Bauphasen, so dass eine Realisierung erster Großprojekte in geeigneten Produktionsländern schon jetzt eingeleitet werden sollte. Nach Berechnungen des Fraunhofer ISE benötigt Deutschland bis 2030 sowohl heimisch hergestellte wie auch Importe von Power-to-X-Energieträgern mindestens im einstelligen Terawattstunden-Bereich.

Die lokalen Produktionskosten für gasförmigen grünen Wasserstoff sind laut unseren Berechnungen für die zwölf von H2Global vorausgewählten Länder nirgendwo so niedrig wie in Brasilien, Australien und dem Norden Kolumbiens. Zwischen 96 und 108 Euro kostet dort die Produktion einer Megawattstunde grünen Wasserstoffs, das sind rund 3,20 bis 3,60 Euro pro Kilogramm“, sagt Dr. Christoph Hank, Hauptautor der Studie. „Wird der Ferntransport per Schiff entweder in Form von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak berücksichtigt, ergeben sich unter bestmöglichen Bedingungen Bereitstellungskosten für Deutschland von 171 Euro pro Megawattstunde in Bezug auf den Energiegehalt von sowohl Flüssigwasserstoff als auch Ammoniak.“

Die hohen kombinierten Volllaststunden für Solar- und Windenergieanlagen in diesen Ländern und die damit verbundene hohe Auslastung der derzeit noch kapitalintensiven Power-to-X-Prozesse sind laut Studie ein zentraler Vorteil dieser Länder. Eine große räumliche Distanz zwischen dem Ort der Erzeugung und dem Ort der Nutzung stelle für Ammoniak, Methanol oder Kerosin durch deren hohe Energiedichte sowie eine etablierte Schifftransportlogistik kein Ausschlusskriterium dar.

Deutschland-Wasserstoff-Produktion
Übersicht der analysierten Länder in Bezug auf Wasserstoff sowie Power-to-X-Produkte und deren Bereitstellungskosten einschließlich Transport nach Deutschland. Hierbei basiert die Kalkulation der Kosten für die Produktion von Flüssigwasserstoff (LH2), Ammoniak (NH3), Methanol (MeOH) sowie Kerosin (Jet fuel) und Fischer-Tropsch-Produkten (FT-Mix) ausschließlich auf der Annahme zusätzlicher im jeweiligen Exportland errichteter erneuerbaren Energieanlagen. Für die kohlen-stoffbasierten Energieträger wird atmosphärisch abgeschiedenes CO2 mittels Direct-Air-Capturing (DAC)-Technologie berücksichtigt. / Quelle: Fraunhofer ISE

Eine Alternative sieht die Studie im Import von gasförmigem Wasserstoff via Pipeline nach Deutschland mit der Möglichkeit zur anschließenden Weiterverarbeitung zu seinen Folgeprodukten vor Ort. „Regionen in Südeuropa und Nordafrika schneiden bei diesem Szenario am besten ab“, erklärt Dr. Christoph Hank. „Unter der Voraussetzung, dass erste Abschnitte dieser Pipeline-Infrastruktur bis 2030 gebaut werden, könnten ab dann große Mengen nachhaltig erzeugten Wasserstoffs auf eine sehr kosteneffiziente Weise nach Europa und damit auch Deutschland transportiert werden“. In der Analyse weisen Regionen in Algerien, Tunesien und Spanien inklusive Transport in einer auf Wasserstoff umgerüsteten Erdgaspipeline mit 137 Euro pro Megawattstunde die niedrigsten Bereitstellungskosten für gasförmigen Wasserstoff auf. Dies entspricht 4,56 Euro pro Kilogramm grünen Wasserstoff.

„Möglichst günstige Erzeugungskosten von erneuerbarem Strom sind der entscheidende Faktor“

Zentrale Kriterien für eine kosteneffiziente Power-to-X-Erzeugung sind laut Studie vorteilhafte Wind- und Photovoltaik-Kombinationen und eine hohe Anlagenauslastung sowie vergleichsweise geringe Kapitalkosten. „Wir haben generell festgestellt, dass die Kombination aus guten Wind- und Solarstrom-Bedingungen sich sehr positiv auf die Kosten der Wasserstoffherstellung auswirkt, oft mehr, als wenn eine Region über herausragend gute Bedingungen für entweder Wind- oder Solarstromerzeugung verfügt“, erklärt Dr. Christoph Kost, verantwortlich für die Erneuerbare-Energien-Analysen der Fraunhofer ISE Studie. „Letztendlich sind möglichst günstige Erzeugungskosten von erneuerbarem Strom der entscheidende Faktor.

Weitere signifikante Kostenreduktionen sind zukünftig bei erneuerbaren Energien, der Elektrolyse, sowie durch eine Optimierung, Skalierung und einen Hochlauf der gesamten PtX-Wertschöpfungskette zu erwarten. Diese werden die Erzeugungs- und Importkosten nachhaltiger Energieträger nach 2030 weiter deutlich sinken lassen, so das Fraunhofer ISE.

Die techno-ökonomischen Ergebnisse der Studie basieren auf umfangreichen Länderanalysen hinsichtlich ihres Potenzials zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien. Die als vielversprechend identifizierten Regionen wurden dann in einem weiteren Schritt hinsichtlich einer Erzeugung von grünem Wasserstoff und dessen Folgeprodukten analysiert. „Die detaillierte Auslegung und Optimierung der einzelnen Power-to-X-Parks erfolgte dann mithilfe von ‚H2ProSim‘, einer vom Fraunhofer ISE entwickelten Simulationsumgebung für Power-to-X-Wertschöpfungsketten“, erklärt Marius Holst, am Fraunhofer ISE verantwortlich für die Power-to-X Simulationen im Rahmen der Studie.

Die Studienautoren betonen, dass beim Aufbau einer globalen Wasserstoff-Industrie auch der heimische Bedarf an erneuerbarer Energie und nachhaltigen Energieträgern der zukünftigen Exportländer zu decken ist und dass die Errichtung einer Erzeugungs- und Exportinfrastruktur in Abstimmung und Einklang mit den lokalen Interessenvertretenden geschehen muss.

Quelle: Fraunhofer ISE – Pressemitteilung vom 04.09.2023

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Wolfbrecht Gösebert:

„Herzlichen Glückwunsch zu diesen Statement [… big snip …] Bitte, schönes Denken reicht nicht immer um die Realität zu erkennen.“

Da schrieb ich doch extra:

„das Ziel muß … nahe an 100% Eigenversorgung aus Sonnenenergie (Solar + Wind), Erdwärme mit div. Kombination von Speichertechniken liegen!“

Wie wäre es mal mit sinnentnehmendem Lesen –> ich nenne ein ZIEL, das es anzustreben gilt … die Folgen davon, was passiert, wenn es nicht erreicht wird, sehen wir doch schon weltweit!

Silverbeard:

Ich wollte darauf aufmerksam machen, dass wir uns den Wasserstoff aus Exportländern mit anderen Industrienationen teilen müssen. Das begrenzt das Angebot und erhöht die Preise.

Silverbeard:

In sehr wasserarmen Gegenden, wie z.B. Wüste, schon…

Birger:

Tja, zum Glück hat man noch die Wahl! Eine Wärmepumpe für unser Haus finde ich sinnvoll und tausche diese auch gegen die olle Ölheizung aus. Ein E Auto möchte ich nicht unbedingt haben und bin eben bekennender CNG ler, weil diese Verbrenner eben auch in ganz Deutschland, bis auf wenige fossile, alle auf Bio CNG und somit CO2 neutral betrieben werden. Wenn ich dann noch Bio CNG aus Gülle tanke, fahre ich laut RED ll sogar 209% CO2 negativ! Noch habe ich die Wahl, CO2 negativ zu fahren mit meinem Verbrenner oder nur CO2 neutral im E Auto. Das ist meine eigene Entscheidung und Technologieoffenheit. Gibt es nur noch E Autos, kann nichts verbessert werden, da es in keine Richtungen mehr Verbesserungen geben wird, was vielleicht auch besser als die E Mobilität sein wird.

Birger:

Na dann mal zu! Meinen Sie Erdwärme oder Geothermie? Diese wäre nur in Norddeutschland, Oberrheingraben und dem Ruhrgebiet lohnenswert. Erdwärme ist auch so ein Problem mit unserem Trinkwasser und Gewässerschutz an sich. Solar und Wind sind sehr unregelmäßige Energiequellen und Speichertechnik so gut wie nicht vorhanden. tolles Denken, aber schlechte Umsetzung!

Birger:

Herzlichen Glückwunsch zu diesen Statement, wie ist ihr E Auto entstanden und wo kommt der Akku her? Und auch der grüne Strom, kann mit nur E Autos, Wärmepumpen und sonstigen elektrischen Gegenständen nicht in Deutschland alleine hergestellt werden. Alleine die Monate von Oktober bis März, sind bekannt dafür, bei uns nicht die Sonnenstärksten zu sein und die Windenergie wird mit dem Wegfall dann auch nicht reichen. Bitte, schönes Denken reicht nicht immer um die Realität zu erkennen.

Birger:

Für das besorgte E Fahrerherz, dies steht auch im Bericht! Man hat soviel Angst vor Konkurrenz, dies ist echt immer erschreckend auf diesen Seiten. :-) Buh! Nun vom Schönreden, werden E PKW,LKW und Busse auch im Alltag nicht besser, dafür braucht man eben bessere Produkte, die dem Verbrenner ebenbürtig sind! Verbraucher, die die Vorteile oder Bequemlichkeiten der Verbrenner Jahrzehnte hatte und liebte, möchte nicht weniger Reichweite haben und zugleich länger beim laden warten müssen. 50% der Bevölkerung leben in Deutschland in einer Wohnung, die können nicht einfach von zuhause laden. Was machen wir mit dehnen, schon mal überlegt?

Frank:

Kupfer haben wir noch 870 Millionen Tonnen, reicht nach den Verbrauch von 2020 (bei 35 Prozent des Bedarfs mit recyceltem Kupfer gedeckt) noch für knapp 37 Jahre und Transformatoren für die Ladestationen werden mit Kupfer gewickelt.

Es wird hier immer so getan, als ist die Energiewende etwas gutes für die Erde, Klima und Rohstoffe, da wird das Kind mit den Bad ausgeschüttet. Die meisten wissen gar nicht was da gemacht wird und was das für die Natur heißt.

Birger:

China setzt auf grünen Wasserstoff, mit 33 Millionen Tonnen jährlicher Produktion ist China der weltweit größte Produzent und Verbraucher von Wasserstoff! Diese Zahlen widersprechen deinen Angaben Silverbeard!

Mark Müller:

Die Benelux-Länder, Japan, Korea und Kalifornien setzen viel entschiedener auf Wasserstoff als Deutschland.
Lauter Länder, die für ihre technische Rückständigkeit bekannt sind, nicht?

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