Wie die deutsche Industrie resilienter und souveräner werden kann

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Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 3 min

Die globalen Rohstoffvorkommen sind nicht im Gleichgewicht. Einige wenige Staaten haben viel, die anderen nicht. Nicht nur das bloße Vorkommen, auch die Verarbeitung von Rohstoffen und die Herstellung von Vorprodukten konzentriert sich häufig auf einige wenige Länder. Das Netzwerk Zukunft der Industrie e.V. hat Prognos mit der Untersuchung der industriellen Resilienz und strategischen Souveränität des Industrielandes Deutschland beauftragt. Ziel ist es, bestehende Abhängigkeiten anhand konkreter Beispiele zu analysieren und Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige Wertschöpfung zu entwickeln – auf Basis nachhaltiger Rohstoffversorgung und unter Einbezug globaler Vorleistungen.

Auf der Industriekonferenz am 26. November wurden erste Zwischenergebnisse vorgestellt: Globale Lieferbeziehungen werden demnach zunehmend krisenanfälliger. Externe Ereignisse und geopolitische Spannungen gefährden die Versorgung. Und das Streben nach Dominanz einzelner globaler Akteure kann zu gezielter Verknappung führen.

Gleichzeitig erhöhen die digitale und nachhaltige Transformation die Nachfrage nach seltenen Rohstoffen oder Vorprodukten, die zum Großteil in autoritären Regimen gefördert bzw. verarbeitet werden. Dies fordert die Industrie an einem rohstoffarmen Standort wie Deutschland erheblich heraus. Weltweit verschärfen sich Nachfrage und Wettbewerb um diese Ressourcen.

Die Zwischenergebnisse der Analyse für das Netzwerk deutscher Industrie zeigen: Die deutsche Industrie ist stark von den Rohstoffen und Vorprodukten anderer Länder abhängig. Diese Verwundbarkeit wird besonders dort deutlich, wo es an die Umsetzung der Energiewende und die Gestaltung des Klimawandels geht – beispielsweise bei der E-Mobilität oder der Versorgung mit Windkraft.

Autoritäre Regime können dies nutzen, um ihre Marktposition zu stärken. Die Lizenzierung von Rohstoffexporten bildet dabei einen ersten Schritt zu einer Regulierung der Exportmengen. Allen voran: China. Die Volksrepublik nutzt ihre starke Position bei Rohstoffen und Verarbeitungskompetenzen und schafft gezielte Abhängigkeiten. Die Beispiele Solarpanel, Windkraft und Elektromobilität zeigen: In der Kombination mit Mitteln wie Preisdumping oder Überproduktion wird eine weltweite Beherrschung einzelner Märkte angestrebt.

Beispiel: E-Mobilität

Kernstück des Elektroautos sind die Antriebsbatterien, weshalb die Automobil- und Zulieferindustrie seit Jahren in den Ausbau der Batteriezellfertigung investieren. Aktuell besteht beim Import fertiger Batteriezellen für die deutsche Automobilindustrie eine hohe Abhängigkeit von China entlang der gesamten Wertschöpfungskette:

  • Die größte Produktionskapazität für Batteriezellen hat China mit etwa 77 Prozent Marktanteil der globalen Batterieverkäufe.
  • Das Kathodenmaterial in aktuellen Lithium-Ionen-Batteriezellen stammt zu 71 Prozent aus China.
  • Das Anodenmaterial sogar zu 91 Prozent.

Die Abhängigkeit in der Windkraft ist ähnlich hoch. Bisherige Ansätze wie die deutsche Rohstoffstrategie oder die EU-Batterie-Verordnung reichen nicht aus, um Chinas Dominanz einzudämmen. Selbst der Aufbau eigener Fertigungskapazitäten ist auf nahezu allen Wertschöpfungsstufen von Vorleistungen aus China abhängig. Hier fehle eine klare europäische Gesamtstrategie mit wirksamen Maßnahmen, so Prognos.

Es braucht eine europäische Antwort auf Chinas Dominanz

Aus den Analysen und Gesprächen, die Prognos mit Branchenexpertinnen und -experten führt, ergeben sich folgende erste Botschaften:

  • Die Herausforderungen aus dem Streben nach Marktbeherrschung sind zu groß, um ihnen als einzelnes Unternehmen oder als Nationalstaat zu begegnen, Deutschland könne dieses Machtspiel im Alleingang nicht gewinnen: Es brauche europäische Lösungen.
  • Industrie- und Technologiepolitik in Europa müssen notwendigerweise Schwerpunkte definieren, in denen sie die Souveränität des Handelns behaupten wollen. D.h. sich mittelfristig auf einzelne Felder, Technologien und Produkte zu konzentrieren und Expertise in der Verarbeitung von Rohstoffen aufzubauen.
  • Langfristig müsse dies zu einem neuen Selbstverständnis führen: Wenn wir den Industriestandort Europa erhalten wollen, müssen entsprechende Rahmenbedingungen gestaltet und Investitionen gefördert werden (faire CO2-Bepreisung, Senkung von Energiekosten etc.).
  • Die Beschaffung müsse stärker diversifiziert werden. Dabei sollten auch Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit des Handelns der Partner mehr Berücksichtigung finden.
  • Gleichermaßen sollten die Optionen des heimischen Rohstoffabbaus geprüft werden. Dieser sollte sich an den Richtlinien für nachhaltiges Wirtschaften orientieren, um hier einen Vorsprung gegenüber den Staaten zu gewinnen, die Raubbau betreiben.
  • Europäische Firmen sollten zudem eng kooperieren, um ihre Marktmacht gemeinsam besser ausspielen zu können.

Quelle: Prognos – Pressemitteilung vom 26.11.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Luni:

Die EU verkauft ihre Seele. Die Sendung „ Am Abgrund- Kampf um Rohstoffe“ vom 19.11. um 16:00 auf Phönix, verdeutlicht das sehr gut.

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