Westaustralien könnte Wasserstoff-Drehscheibe für Europa werden

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Die Stadt Geraldton in Australien. Gut 20 km nördlich davon könnte ein Tiefseehafen für den Export von Wasserstoff nach Europa entstehen. / Shutterstock 1900843612

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

Der Hafen von Rotterdam und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE untersuchen gemeinsam mit australischen Partnern die Möglichkeiten für Westaustralien, ein weltweit führender Produzent, Nutzer und Exporteur von erneuerbarem Wasserstoff zu werden. Der Bundesstaat könnte einen erheblichen Teil des europäischen Wasserstoffbedarfs im Jahr 2050 decken, wie es in einer aktuellen Mitteilung heißt.

In der TrHyHub genannten Studie, einer Zusammenarbeit zwischen wichtigen Interessensgruppen in Australien, Deutschland und den Niederlanden, wurden die kritischen Komponenten für eine mögliche Lieferkette vom Wasserstoff-Drehkreuz Oakajee über den Hafen Rotterdam nach Deutschland analysiert. Kurzfristig ist demnach Ammoniak die am besten geeignete Option, wobei für die Zukunft erhebliche Kosteneinsparungen zu erwarten sind.

Mit seiner strategischen Lage und seinem Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien ist der Mid West Hydrogen Hub um das geplante Industriegebiet Oakajee ein zentraler Knotenpunkt für das Wachstum der erneuerbaren Industrie in Westaustralien. Der bislang kaum erschlossene Ort, einige Hundert Kilometer nördlich von Perth gelegen, wurde auch als potenzieller Standort für einen großen Tiefseehafen identifiziert. Die TrHyHub-Studie untersuchte die technische Auslegung, den Standort und die Machbarkeit einer Ammoniak-Exportinfrastruktur im Hafen von Oakajee.

Wasserstoff-Europa-Australien
Fraunhofer ISE

Eine vom Fraunhofer ISE durchgeführte Standortanalyse (Geografisches Informationssystem-Analyse) ergab, dass das Land in einem Umkreis von 350 Kilometern um die geplante Industriezone Oakajee ein erhebliches Potenzial für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in großem Maßstab bietet. Das Gebiet ermöglicht theoretisch eine maximale Stromproduktion von 10.000 Terawattstunden (TWh) aus Photovoltaik und 5700 TWh aus Onshore-Windenergie. Bei vollem Ausbau bedeutet dies eine theoretische Wasserstoffproduktion von 185 Millionen Tonnen pro Jahr (Mtpa) aus Solarenergie und 105 Mtpa aus Windenergie.

Eine Wasserstoffproduktion in dieser Größenordnung würde einen erheblichen Teil des europäischen Wasserstoffbedarfs im Jahr 2050 decken. Die geplante Produktionskapazität für Ammoniak aus erneuerbaren Energien könnte mehr als 15 Mtpa erreichen, was der derzeitigen europäischen Ammoniakproduktion entspricht.

Erhebliches Potenzial für Kostensenkung

In ihrem Arbeitspaket untersuchten die Forschenden des Fraunhofer ISE auch die Lieferkette und die damit verbundenen spezifischen technologischen Lösungen für den Export von grünem Wasserstoff. Sie modellierten die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff und dessen Derivaten sowie den Transport der Derivate, einschließlich Transportmittel, -kosten und -zeit.

„Unsere technisch-ökonomische Analyse einer Ammoniak-Lieferkette nach Deutschland bestätigte, dass die große Entfernung keinen bedeutenden Kostenfaktor darstellt und nur 9 Prozent der Gesamtkosten für Produktion und Lieferung ausmacht. Die sehr guten Bedingungen für die Solar- und Windstromproduktion können einen Teil der höheren Transportkosten kompensieren“, erklärt Studienautor Marius Holst vom Fraunhofer ISE.

Um die Kosten der Ammoniakversorgungskette weiter zu senken, sei weitere Forschung zu dessen Herstellung erforderlich. Das Fraunhofer ISE arbeite bereits an neuen Ammoniaksyntheseverfahren, die die Kosten für erneuerbares Ammoniak senken könnten, ebenso wie an Herstellprozessen von anderen nachhaltigen Syntheseprodukten, sowie an neuen Technologien für die direkte Nutzung von Ammoniak.

Das Team untersuchte auch den Export von flüssigem Wasserstoff und Methanol nach Deutschland. Beide Produkte stoßen auf technische und wirtschaftliche Hindernisse für den Export, wie z. B. den Mangel an kommerziell verfügbaren Transportbehältern für Flüssigwasserstoff oder kommerzielle und kostengünstige Technologien zur CO2-Gewinnung aus der Luft (DAC). „Zukünftige Kostensenkungen werden nur durch globale Skalierung und technologische Verbesserungen erreicht, nicht durch Zeit. Wir müssen jetzt anfangen, damit dies Wirklichkeit wird“, erklärt Abteilungsleiter Robert Szolak vom Fraunhofer ISE.

Deutschland als wichtiger Abnehmer

Im Anschluss an den REPowerEU-Plan der Europäischen Kommission im Jahr 2022 hat sich die Europäische Union das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 bis zu 10 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoff zu importieren, um fossile Brennstoffe in allen Sektoren zu ersetzen. Bei einem nationalen Wasserstoffverbrauch von etwa 1,6 Millionen Tonnen jährlich in verschiedenen Industriesektoren – derzeit zu 90 Prozent durch fossile Brennstoffe gedeckt – hat Deutschland in seiner nationalen Wasserstoffstrategie angekündigt, diese Sektoren sowie die Stahlproduktion und Teilen des Transportwesens auf erneuerbaren Wasserstoff umzustellen.

Da die Produktionskapazitäten für erneuerbaren Wasserstoff begrenzt sind, wird Deutschland den Großteil der benötigten Mengen importieren müssen. Die TrHyHub-Studie ergab, dass erneuerbarer Ammoniak als wichtigster Wasserstoffträger kurzfristig über den Rotterdamer Hafen importiert werden könnte. Rotterdam sei aufgrund seiner umfangreichen logistischen Verbindungen zu den vielversprechendsten Abnahmeregionen in Deutschland, insbesondere Nordrhein-Westfalen und Ludwigshafen, gut geeignet.

Inwiefern der aus Australien importierte Wasserstoff auch in Pkw oder Lkw mit Brennstoffzelle landen könnte, ist schwer absehbar. Wasserstoff wird im Landverkehr allenfalls als Nischenlösung für Nutzfahrzeuge erachtet, im Pkw-Bereich wird dieser Antriebslösung kaum eine Chance eingeräumt, vor allem aus Sicht der Kosten- wie auch Energieeffizienz.

Erst im September 2024 haben Australien und Deutschland ein historisches Abkommen unterzeichnet, um ihre Zusammenarbeit bei neuen Lieferketten für grünen Wasserstoff durch ein Finanzierungsabkommen voranzutreiben, das den australischen Produzenten von erneuerbarem Wasserstoff europäische Käufer garantiert. Die gemeinsame Absichtserklärung zur Aushandlung des 400-Millionen-Euro-Abkommens, das zu gleichen Teilen von den Regierungen beider Länder finanziert wird, ist Teil des deutschen H2 Global Auktionsmechanismus.

Quelle: Fraunhofer ISE – Pressemitteilung vom 07.05.2025

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.
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Jakob Sperling:

Ich glaube, wir haben es gerade erlebt, dass langfristig niemand akzeptiert, wenn man nur exportiert.

Wenn D Autos, Maschinen, Pharmazeutika etc. nach Nordafrika, Australien und Südamerika exportieren will, muss es von diesen Ländern auch etwas importieren. Kamelmilch, Datteln, Bumerange, Lamawolle, … oder eben Energie. Die können nämlich die $ oder € für den Einkauf unserer Produkte nicht selber drucken, sondern müssen die zuerst irgendwie verdienen.

Es ist gut, ein stückweit autark zu sein. Der Import von Energie insgesamt sinkt mit der Energiewende von etwa 2/3 auf 1/3..Viel mehr ist ökologisch und finanziell nicht sinnvoll und geht auch wirtschaftspolitisch nicht.

Wolfbrecht Gösebert:

Nochmal meine *wesentliche* Argumentation, die ist zweiteilig:

1 • Welchen PREIS wir in -D- schlußendlich für importierte H₂-Energie bezahlen, wird sich sowieso erst zeigen, wenn wir mit den Gewinn-Aufschlägen aller Beteiligten »konfrontiert« werden …

2 • ich plädiere sowieso für weitgehende Energie-AUTARKIE in -D-! Gern gleich ab der “Graswurzel-Ebene”: Schon allein deshalb, weil uns alle das WEIT weniger erpressbar macht!

Johannes:

Leute, geht doch nicht gleich in die Luft wenn ihr irgendwo Wasserstoff lest :)
Ja im Landverkehr völlig bedeutungslos!

Aber es wird jetzt schon sehr viel davon in der chemischen Industrie gebraucht der bis dato aus fossilem Erdgas erzeugt wird. Der muss ersetzt werden!

Dann kommen noch Eisenhütten, e-Fuels für Flugzeuge und Schiffe dazu. Dann hat man schon einen hoheh, gut begründeten Bedarf

Jakob Sperling:

Hast du diese ‘Berechnung’ so aus dem Gefühl heraus gemacht?
Man findet zahlreiche Literatur, wo das genau berechnet ist.
Ist übrigens immer noch deutlich günstiger als die Produktion in D – aber der Preis ist ja nicht das einzige Kriterium.

Jakob Sperling:

Nee, Effizient nicht, aber effizient.
Schiffstransport ist unglaublich effizient, sodass selbst bei diesen Distanzen der Transport weit unter 1 $/kg kostet.
Vor allem, wenn es nicht pressiert, da die Geschwindigkeit des Schiffes den grössten Einfluss auf den Energieverbrauch hat.
Und in diesem Fall, kann ja das Schiff selbst gleich mit dem CO2-freien Wasserstoff betrieben werden.

Jakob Sperling:

“Eine Produktion mit Salzwasser stellt noch einmal ehebliche ökologische, finanzielle und Effiziensbelastungen dar!”

Nee, die Produktion von reinem Süsswasser aus Meerwasser ist für die Kosten der H2-Produktion beinahe vernachlässigbar. Ca. 0.5%.

Wird in den Kommentaren hier auch sonst noch an verschiedenen Stellen einfach mal so behauptet. Das hat man ja im Gefühl.

“Most commonly used reverse osmosis plants consume roughly 0.0012 kWh/l …
The energy consumption of a demineralized water treatment plant is in the range of 0.0016 kWh/l.
As such, energy consumption to purify the seawater to meet the feedstock purity requirements for electrolyser ranges roughly from 0.055 to 0.077 kWh/kg H2. …”

Philipp:

Ammoniak ist stickstoffbasiert, also NH3 und die Luft gesteht zu 70% aus N2. Also nicht wie das Spurengas CO2.
Die Abscheidung von Stickstoff aus der Umgebungsluft wird seit Jahrzehnten effizient großtechnisch durchgeführt, insbesondere für die Düngerherstellung.
Dort liegt nicht das Problem.

Schwierig bei Ammoniak sind eher die hochtoxische Wirkung auf alle Lebewesen und die ineffiziente, bisher nichtgroßtechnisch umgesetzte Rückumwandlung zurück in Strom.
Ersteres ist beherrschbar, weil Ammoniak auch heute schon in der Chemie in großen Mengen verwendet wird und bei Zweiterem ist es keine Hexenwissenschaft, es fehlt bisher nur die Großanlage.

Es ist sinnvoll autark zu sein, aber auch sinnvoll mehrere Quellen zu haben, die können auch gerne aus dem Ausland stammen. Ob hier z.B. Portugal oder Australien die bessere Kostenbasis haben, muss man sehen. Auf jeden Fall gibt es prinzipiell deutlich mehr Konkurrenz bei PV-Energieliefranten, als bei fossilen oder gar nuklearen Lieferanten.

Wolfbrecht Gösebert:

“Die Produktion von Süßwasser ist mit modernen Hochdruckentsalzungsanlage[n] deutlich günstiger und energieärmer geworden […].”

Mag sein, aber die Gesamt-Energiebilanz solcher Anlagen glaube ich sowieso erst, wenn u.a. auch die Kosten des »CO₂ Direct Air Capture« für Ammoniak im großtechnischen Maßstab beherrschbar bleiben :)

Welchen Preis wir in -D- schlußendlich für Energie bezahlen, wird sich sowieso erst zeigen, wenn wir mit den Gewinn-Aufschlägen aller Beteiligten »konfrontiert« werden … ich plädiere sowieso für weitgehende Energie-Autarkie! Gern gleich ab der “Graswurzel-Ebene”: Schon allein, weil uns das WEIT weniger erpressbar macht!

Wolfbrecht Gösebert:

“Effizienz + Nachhaltigkeit interessiert nur so lange wie es einen finanziellen Vorteil bringt. […]
Selbst bei meinem E-Auto ist mir die Effizienz egal, weil der Strom billig ist.”

Danke für Deine Bestätigung, dass eine »Einsicht in Deine egoistische Grundhaltung« auch weiterhin nicht erkennbar ist!

Philipp:

Wenn der Bedarf an Energie das Angebot übersteigt, dann steigen die Preise. Und da 911’er Fahrer zu der Klasse gehören, die zu viel Geld haben, werden die einfach das geringe verfügbare Volumen kaufen und damit die Preise steigen lassen.

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