Audi RS e-tron GT: Unterwegs in Iron Mans Dienstwagen

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Dirk Kunde

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Der Kiosk-Besitzer steht auf seiner Terrasse und reckt den Daumen nach oben, als ich seinen Laden passiere. Das geht mir auf dieser Tour noch öfter so. Winken, Jubeln, Daumen hoch für den Audi RS e-tron GT. Ich bin unterwegs auf der griechischen Insel Rhodos. Derartig emotionale Reaktionen auf ein Auto sind mir fremd. Der Sportwagen trägt noch eine dicke Folie auf dem Lack, um Details zu verbergen. Schließlich wird die finale Version erst noch der Öffentlichkeit präsentiert und der Wagen kommt Ende des ersten Quartals 2021 auf den Markt. Doch bei den Griechen löst er jetzt schon Begeisterung aus.

Audi RS e-tron GT präsentiert sich noch (etwas) verhüllt

Audi hat einigen Journalisten Ende Oktober Testrunden auf einem ehemaligen Flughafen als auch auf öffentlichen Straßen der Mittelmeerinsel ermöglicht. Dabei ist das Armaturenbrett vollständig verhüllt und auch die Folierung verdecken eher als zeigen. Doch das silberne E auf schwarzem Grund in Kombination mit den Neon-Orangen Akzenten lassen den RS e-tron GT noch sportlicher wirken. Das erklärt die Reaktion der Passanten. Die langgezogene Dachlinie des Grand Tourismo, die breiten Schultern, die offen sichtbaren Sensoren unter dem Front-Grill, der Diffusor ohne Auspuff am Heck – es signalisiert zeitgemäßes, sportliches Fahren.

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Hier rollen die schnellsten vier Ringe der e-tron-Reihe aus Ingolstadt über den Asphalt. Korrektur, denn der Wagen wird ab Ende des Jahres in den Böllinger Höfen in Neckarsulm gefertigt. Auf derselben Linie entsteht der Verbrenner R8. Wie viele RS e-tron GT der Hersteller baut, verrät der Pressesprecher nicht. Doch Neckarsulm ist eine Kleinserienfertigung. Entsprechend liegt der Startpreis bei 138.000 Euro. Immerhin ist das hier der Dienstwagen von Iron Man. Eigentlich muss es heißen „war“, denn in „Avengers Endgame“ fand Unternehmer Tony Stark alias Iron Man den Tod. Ob es nun am Preis oder dem Superhelden-Vorbild liegt, der e-tron GT ist ein waschechtes Sehnsuchtsauto. Von ihm träumen viele kleine Jungs und nur wenige große Jungs können ihn sich leisten.

Sportlich und komfortabel

Audi versucht beim e-tron GT einen Spagat: Das Kürzel RS steht für Rennsport. In etwas unter 3,5 Sekunden beschleunigt der Wagen auf 100 km/h und das geht bis 250 km/h. Der Zusatz GT steht für Grand Tourismo. Der viertürige Wagen bietet Platz für fünf Personen. In den Stauräumen vorn und hinten (81 / 350 Liter) ist genug Platz für längere Ausflüge. Die dürfen etwas über 400 km lang sein, bevor der e-tron GT an eine Ladesäule muss. Der WLTP-Wert ist noch nicht offiziell, aber die 396 Pouch-Zellen fassen 93,4 brutto bzw. 83,7 kWh Energie. Rein rechnerisch liegt der Verbrauch bei rund 21 kWh auf 100 km. Nicht schlecht für ein 2,3 Tonnen schweres Fahrzeug.

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Wie beim e-tron üblich, ist der Typ 2-Anschluss vorn links. Der CCS-Stecker kommt in den Anschluss vorn rechts. Der Sportwagen lädt mit bis zu 270 kW Gleichstrom an Schnellladesäulen. Bei diesem Wert liegt Audi etwas vor Branchenprimus Tesla. Doch schaut man auf die Performance-Variante des Model S, dann beschleunigt der schneller (2,5 Sek.), fährt schneller (261 km/h) und ist günstiger (ab 94.000 Euro). Allerdings würde man das Model S nicht als Sportwagen einstufen.

Verwandtschaft mit dem Taycan

Wem die Audi-Werte erstaunlich bekannt vorkommen, hat jetzt vermutlich einen Porsche Taycan im Hinterkopf. Korrekt, beide Elektroautos teilen sich die konzerneigene Plattform J1. Das 800 Volt Batterie-System sowie vier Kühlkreisläufe halten Batterie und die zwei Elektromotoren auf Temperatur, so dass immer wieder Spurts mit voller Leistung möglich sind. Vorn arbeitet ein permanenterregter Synchronmotor mit 175 kW. Die gleiche Technologie kommt im Heck mit zwei Gängen und 335 kW Leistung zum Einsatz. Im Normalbetrieb liegt die kombinierte Leistung bei 440 kW und 475 kW im Overboost-Modus. Das Drehmoment liegt bei 830 Newtonmeter.

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Derartige Leistungswerte kann man nur auf einer langen Geraden testen. Audi hat auf Rhodos eine alte Landebahn abgesperrt und lässt mich eine Viertelmeile (402 Meter) mit Launch Control absolvieren. Also zeitgleich Füße auf Bremse und Fahrpedal stellen. Sobald das grüne Startlicht an ist, nehme ich den Fuß von der Bremse. Der Sportwagen schießt nach vorn und drückt mich tief in den Sitz. Mit etwas über 200 km/h überquere ich nach 11,78 Sekunden die Ziellinie.

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Audi veranstaltet diesen Beschleunigungstest am Abend. Es ist stockdunkel und hinter der erleuchteten Ziellinie gibt es keine weiteren Lampen. Ich versuche, am Ende meines Matrix LED-Fernlichts zu erkennen, wann die geteerte Landebahn endet. Doch die Bremsen reagieren prompt und bringen den Wagen zu einem sichern Stopp. Erstmals verbaut Audi bei der RS-Version Bremsscheiben aus Wolframcarbid. Ihre Oberflächen sind fast so hart wie Diamanten. Damit sinkt der Feinstaubabrieb um 90 Prozent und die Haltbarkeit ist 30 Prozent höher als bei Stahlscheiben.

Besser um die Kurve kommen

Der alte Claim „Vorsprung durch Technik“ gilt auch im e-tron-Zeitalter. Die Audi-Ingenieure haben eine Dreikammer-Luftfederung verbaut. Je nach Fahrsituation werden die Einwirkungen auf jedes einzelne Rad unterschiedlich gedämpft. Auf den unebenen, kurvigen Straßen der griechischen Insel spürt man das sehr gut. Oder besser gesagt, man spürt nichts. Es ist ein sanftes Dahingleiten. Tiefer Schwerpunkt, Allradantrieb und Luftfederung sorgen für Komfort bei sportlicher Fahrweise. Im Fahrmodus „Effizienz“ senken die Dämpfer die Karosserie um bis zu 22 Millimeter ab, um den Luftwiderstand zu verringern.

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In den 180 Grad-Serpentinen fallen die notwendigen Lenkbewegungen überraschend klein aus. Das liegt an der Allradlenkung. Die Hinterräder drehen bis zu 2,8 Grad mit. Bei hohen Geschwindigkeiten machen sie das in die gleiche Richtung wie die Vorderräder. Das verleiht Spurstabilität. Bei niedrigen Geschwindigkeiten drehen die Hinterräder in Kurven gegensinnig. Das verringert notwendige Lenkbewegungen. Natürlich erleichtert diese Funktion auch das Wenden und Rangieren des 4,99 Meter langen Autos auf engen Parkplätzen.

Besonders ins Augen fallen Kamera und Radarsensoren unter dem Frontgrill. Hier zeigt sich der e-tron GT von seiner technischen Seite. Dabei ist er noch auf Level 2 unterwegs. Also adaptiver Tempomat und Spurhalter. Das Headup-Display sorgt dafür, dass meine Augen auf der Straße bleiben. Und so dient sich dieses Auto den großen, oder ich möchte bewusst sagen, reifen Jungs an. Kurz mal sportlich aufdrehen, aber auf langen Strecken lieber komfortabel zurücklehnen und sich ein wenig helfen lassen. Da kann man sich auch mal ablenken lassen und dem Kiosk-Besitzer freundlich zurück winken.

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Dirk

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Dirk Kunde beschäftigt sich mit dem Wandel der Mobilitäts- und Energiebranche. Neben neuer Antriebstechnik und Vernetzung im Fahrzeug, bringt die Verknüpfung mit dem Energiesektor große Umbrüche. Bei seinen Praxistests hat der Diplom-Volkswirt stets ein Auge auf die wirtschaftlichen Aspekte. Ein Lächeln ins Gesicht zaubert dem technikverliebten Journalisten jede vernetzte Anwendung im Auto oder als App, die Mobilität komfortabler macht.
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KaiGo:

Wenn ich das richtig in einem Video verstanden habe, kommt zunächst der Audi e-tron GT RS. Das ist dann die stärkste Variante. Vergleichbar mit Taycan Turbo oder Audi RS7. Im Anschluss kommt dann wohl der Audi e-tron GT, also die normale Variante. Selbe Proportionen und Design, weniger Leistung.

Jürgen:

Ja was denn nun: Audi e-tron GT oder Audi RS e-tron GT klärt mich mal jemand auf. Auf der Internetseite von Audi wird bereits der e-tron GT angepriesen mit den gleichen Daten.
Der E-Techniker (Elektrolurch)

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