Der VinFast VF6 Plus war für sieben Tage mein Begleiter im Alltag. Gemeinsam waren wir unterwegs auf herbstlichen Landstraßen, im dichten und im nicht so dichten Stadtverkehr sowie auf der Autobahn, sodass sich das E-Auto in ganz unterschiedlichen Situationen beweisen musste. Der Testwagen war klar konfiguriert: Plus-Ausstattung für 38.990 Euro, ergänzt durch die Lackierung in VinFast Blau. Weitere Extras gab es nicht – Panorama-Glasdach, 19-Zoll-Alufelgen, achtfach elektrisch verstellbarer Fahrersitz, belüftete und beheizte Vordersitze sowie das Head-up-Display sind bereits serienmäßig an Bord.
Die begrenzte Auswahl im Konfigurator, in dem nur noch eine Eco-Variante zum Einstieg, ab 34.990 Euro zur Verfügung steht, macht die Auswahl einfach. Und nimmt vor allem ein wenig Rätselraten aus dem Bestellprozess, was man nun benötigt oder eben nicht. Die Vorauswahl ist bereits getroffen. Unterschiede bei Motorisierung, Batteriegröße und damit Reichweite gibt es nicht. Ebenso in puncto Ladeleistung bewegen sich beide Modelle auf gleicher Höhe.
Ein genauer Blick auf das auffällige Außendesign des vietnamesischen Stromers
Bevor wir hier tiefer einsteigen zunächst ein Blick auf die Optik des Stromers. Beim Außendesign des VF6 fällt zunächst auf, wie bewusst VinFast europäische Linien aufgreift. Die Formensprache stammt von Torino Design, was sich an den klar gezogenen Flächen, den dezenten Rundungen und der insgesamt kompakten, fast schon zurückhaltenden Silhouette ablesen lässt, wie der Hersteller zu verstehen gibt. Die Front prägt ein schmaler, durchgehender LED-Lichtstreifen, der das typische V-Motiv der Marke aufnimmt – ein Element, das sowohl als Erkennungsmerkmal dient als auch optisch Breite vermittelt. Darunter sitzen die Hauptscheinwerfer seitlich versetzt in der Schürze.
Der hohe Kunststoffanteil im unteren Bereich mag zunächst schlicht wirken, hat aber einen praktischen Hintergrund: Er schützt vor kleinen Kontakten und bleibt optisch unempfindlicher als lackierte Flächen. Zudem ist das auch günstiger – was sich entsprechend auf die Preisgestaltung auswirkt. Die Motorhaube fällt stärker ab als bei vergleichbaren E-Autos, was die Front optisch streckt, gleichzeitig aber die Einschätzung der Fahrzeugkanten etwas erschwert.
In der Seitenansicht zeigt der VF6 ein kompaktes, leicht keilförmiges Profil. Die kurzen Überhänge und der Radstand von 2730 Millimetern verleihen der Karosserie ausgewogene Proportionen. Die 19-Zoll-Felgen der Plus-Variante stehen dem Auto gut und füllen die Radhäuser stimmig aus. Das Design wirkt funktional und sauber gezeichnet, ohne aufdringliche Akzente oder übertriebene Sportlichkeit. Und dennoch wird zweimal hingeschaut, da die Marke mit dem prägnanten VF als Logo doch noch nicht so bekannt ist.

Nach dem Einstieg fällt auf, dass die Sitzposition zunächst höher ist, als man es eventuell erwartet. Dennoch hat sich der Fahrersitz ausreichend tief stellen lassen, sodass man auch mit rund 184 cm Größe genügend Platz im Stromer findet. In der zweiten Reihe wird es dann allerdings ein wenig eng. Das kleinere, an manchen Stellen wuchtige Lenkrad wirkt zunächst ungewohnt, passt aber zum Charakter des Autos, das eher für die Stadt und die nähere Umgebung entwickelt wurde. Die Innenraumgestaltung zeigt einen klar strukturierten Aufbau. Der große, zum Fahrer geneigte Bildschirm dominiert das Armaturenbrett. Ein klassisches Kombiinstrument gibt es nicht; die wichtigsten Informationen liefert das serienmäßige Head-up-Display, das im Alltag wirklich hilfreich ist.
Die Platzverhältnisse im Innenraum sind vorn also durchaus ausreichend, insofern man den Sitz entsprechend der eigenen Bedürfnisse einrichtet. Ansonsten schlagen aber auch schnell die Knie ans Handschuhfach, wenn man dies nicht macht. Der VF6 bietet dann ausreichend Schulter- und Kopffreiheit, das große Glasdach sorgt zudem für eine offene Atmosphäre, auch wenn es sich nicht öffnen lässt. Hinten wird es wie erwähnt allerdings enger. Die Beine stehen wegen des hohen Akku-Unterbodens relativ stark angewinkelt, was auf längeren Strecken ermüden kann. Bis etwa 1,80 m Körpergröße lassen sich die hinteren Plätze gut nutzen, darüber wird es spürbar knapper. Das Kofferraumvolumen gibt VinFast mit bis zu 423 Litern an. Die Sitzlehnen sind zweigeteilt umklappbar, die entstehende Fläche weitgehend eben. Ein Frunk fehlt leider, obwohl unter der Haube ausreichend Platz gewesen wäre.




Das Infotainment verdient eine eigene Betrachtung. Das System basiert auf Android, wirkt in der Bedienstruktur vertraut – ist allerdings nicht gerade flott unterwegs. Die Menüführung ist übersichtlich, die Ladeplanung im Navigationssystem funktionierte zuverlässig und zeigte Ladesäulen klar und mit zugehöriger Prognose an. Wireless Apple CarPlay und Android Auto sind serienmäßig und funktionierten stabil.
Die physische Bedienung ist stark reduziert auf Lautstärkeregler, die Warnblinkanlage und die Tasten für die Fahrstufen – der Rest läuft über den Touchscreen. Das ist Geschmackssache, und nicht gänzlich meine Welt. Verstehe den reduzierten Ansatz aber durchaus. Die Sitzheizung und im Sommer dann auch -kühlung wusste zu überzeugen. Wenn man schon bei „Wünsch dir was“ ist, hätte ich persönlich gerade in den kühleren Jahreszeiten noch eine Lenkradheizung bevorzugt.

Bei der Verarbeitung entsteht ein gemischter Eindruck. Wobei es immer in der Relation zum Preis zu sehen gilt. Sauber gesetzte Spaltmaße, ordentliche Materialqualität und durchdachte Flächen, die geschaffen wurden. Allerdings zeigt sich auch, dass das verbaute Plastik nicht den wertigsten Eindruck macht, in den Ablageflächern sind mehrere Stellen als etwas zu scharfkantig zu beschreiben. Aber in Summe kann festgehalten werden, dass die Qualitätsanmutung solide ausfällt, ohne besondere Akzente zu setzen.
Fahreindruck des VinFast VF6 im Stadtverkehr und darüber hinaus
Beim Losfahren fällt sofort auf, dass der VF6 sanft anrollt und mit einer Art Gedenksekunde auf Gaspedalbefehle reagiert. Diese leichte Verzögerung lässt sich mehrfach reproduzieren – übrigens egal in welchem Fahrmodi man unterwegs ist. Kein Pluspunkt für ein Stromer, von dem man eigentlich anderes erwartet. Nach diesem Moment des Zögerns setzt der Antrieb spürbar ein. Die 150 kW (204 PS) und 310 Nm sorgen dann für ausreichenden Schub, ohne das Auto nervös wirken zu lassen. Für einen typischen Stadtzyklus ist das völlig in Ordnung, zumal die Lenkung bei niedrigen Geschwindigkeiten angenehm leicht arbeitet. Die Übersicht nach vorn ist gut, nach hinten etwas eingeschränkt, was vor allem an der kleinen Heckscheibe liegt. Die serienmäßige 360-Grad-Kamera löst das Problem zuverlässig.


Im Stadtgebiet zeigt sich die Rekuperation in vier Stufen als hilfreich, bleibt aber auch im stärksten Modus moderat und nicht stark genug für echtes One-Pedal-Fahren. Der VF6 rollt insgesamt gleichmäßig und gut kalkulierbar. Die Geräuschkulisse bleibt vor allem im unteren Geschwindigkeitsbereich angenehm unaufdringlich. Jedoch lässt sich festhalten, dass das Abrollgeräusch der 19-Zoll-Bridgestone-Reifen deutlicher hörbarer ist als bei manchem Marktbegleiter.
Entlang des Neckartals vermittelte der VF6 ein Fahrgefühl, das zwischen Komfort und Straffheit angesiedelt ist. Das Fahrwerk fängt kurze Stöße ordentlich ab, längere Wellen hingegen regen das Auto etwas stärker zum Nachschwingen an. Die Lenkung bleibt rund um die Mittellage fast gefühllos, was insbesondere auf kurvigen Strecken auffällt. Erst mit zunehmendem Lenkeinschlag fasst sie verbindlicher zu, dann aber überraschend direkt. Dieses Verhalten führt zu einem synthetischen Lenkgefühl, das zwar nicht übermäßig stört, aber auch keinen besonderen Reiz ausübt.


Erwähnenswert ist sicherlich das hohe Fahrzeuggewicht von über 2,1 Tonnen – für ein kompaktes E-Auto ein hoher Wert –, das sich auf Landstraßen besonders bemerkbar macht. Der VF6 wirkt solide, aber nie besonders leichtfüßig – vor allem in Kombination mit der verzögerten Beschleunigung. Gerade in langgezogenen Kurven spürt man, wie viel Masse bewegt wird. Die hohe Stirnfläche und die Karosserieform erklären zusätzlich, warum der Wagen bei höheren Geschwindigkeiten weniger effizient ist, wie ich selbst beim sehr schnell schwindenden Akkustand beobachten durfte.
Aber keine Sorge, der VF6 ist nicht für schnelles Fahren ausgelegt, insofern wird man sich in diesem Bereich nicht so oft bewegen. Die begrenzte Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h regelt das. Die Assistenzsysteme arbeiteten im Test insgesamt zuverlässig. Insbesondere der Autobahnassistent hielt die Spur sauber und reagierte nachvollziehbar.
Reichweite, Energieverbrauch und Ladeverhalten
Beim Verbrauch zeigte der VF6 Plus eine gewisse Schwankungsbreite. Der 59,6-kWh-Akku ermöglicht laut WLTP bis zu 379 km. Realistisch ist deutlich weniger drin. Bei ruhiger und angepasster Fahrweise brachte es der Stromer auf eine Reichweite von um die 300 km. Wobei hier noch nicht übermäßig viel Heizung im Einsatz war, geschweige den das Strompedal durchgetreten wurde. Gerade im Stadt-Land-Mix ist der Verbrauch noch annehmbar, auf der Autobahn sollte man dann aber doch eher rechte Spur und gemütlich fahren, wenn man längere Strecken zurücklegen möchte.

Beim Laden zeigt sich der VF6 alltagstauglich. AC lädt er serienmäßig mit 11 kW, was an einer typischen Wallbox 6,5 Stunden für eine Voll-Ladung bedeutet. Vorausgesetzt man fährt die Pro-Variante, in der Eco-Variante wird nur mit 7,4 kW (AC) geladen. DC sind bis zu 100 kW möglich. VinFast nennt 25 Minuten für den Sprung von 10 auf 70 Prozent – eine eher ungewöhnliche Angabe, da die meisten Hersteller 10 bis 80 Prozent ausweisen. Rechnet man die Kapazität durch, ergibt sich ein realer Durchschnitt von rund 90 kW.
Werte die der Testwagen nur kurz erreicht hat, und dann nicht lange halten konnte. Von 20 auf 80 Prozent dauerte der Ladevorgang an die 35 Minuten. Für die Langstrecke nicht gänzlich aus der Reihe gefallen, aber in Hinblick auf höheren Energieverbrauch nicht gerade ideal. Das bekommen Marktbegleiter besser hin. Legt man die Schablone „E-Auto für die Stadt“ an, ist das aber noch annehmbar.
Abschließende Gedanken zum Alltag mit dem VF6
Nach einer Woche im Alltag zeigt sich der VinFast VF6 Plus als ein E-Auto, das seine Stärken klar im Stadt- und Nahbereich ausspielt. Die umfangreiche Serienausstattung, das moderne Bedienkonzept und der ordentliche Federungskomfort im unteren Geschwindigkeitsbereich machen das Modell zu einem angenehmen Begleiter für typische Alltagsfahrten. Gleichzeitig wird deutlich, dass der VF6 konstruktiv so ausgelegt ist, dass er im urbanen Umfeld und auf kürzeren Strecken seine Aufgabe am besten erfüllt. Aspekte wie das hohe Gewicht, die zurückhaltende Rekuperation und die verzögerte Pedalannahme mindern zwar die fahrdynamische Direktheit, verändern aber den Charakter des Autos nicht grundlegend – er bleibt ein kompakter Stromer mit klarer Priorisierung auf Komfort und Alltagstauglichkeit.

Über längere Strecken hinweg zeigen sich seine Grenzen etwas deutlicher, vor allem beim Verbrauch und der nachlassenden Ladeleistung im oberen SoC-Bereich. Dennoch bleibt der VF6 im Rahmen seines Einsatzprofils funktional und gut nutzbar. Wer ein elektrisch angetriebenes Kompaktmodell mit großzügiger Serienausstattung sucht, das ohne komplexe Konfigurationsoptionen auskommt und den Schwerpunkt auf regionale Mobilität legt, findet im VF6 Plus ein solides Gesamtpaket.
Disclaimer: Der VinFast VF6 wurde uns für diesen Testbericht kostenfrei für den Zeitraum von einer Woche von VinFast zur Verfügung gestellt. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.







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