In einem zunehmend komplexen Kontext der Energiesicherheit, der ein breites Spektrum an Brennstoffen und Technologien umfasst, identifiziert der soeben veröffentlichte World Energy Outlook 2025 der Internationalen Energieagentur (IEA), die vielleicht einflussreichste Analyse inklusive Vorschau für den Energiemarkt, wichtige Entscheidungen, Chancen und Zielkonflikte für Regierungen.
Länder auf der ganzen Welt sehen sich demnach starken Bedrohungen der Energiesicherheit und wachsenden langfristigen Risiken in einem beispiellosen Spektrum von Brennstoffen und Technologien gegenüber, wodurch das Thema Energie ins Zentrum geopolitischer Spannungen rückt und zu einer Kernfrage der wirtschaftlichen und nationalen Sicherheit wird. In diesem Kontext unterstreicht die neueste Ausgabe des World Energy Outlook der IEA die Notwendigkeit für Regierungen, eine stärkere Diversifizierung der Versorgung und verstärkte Zusammenarbeit untereinander anzustreben, um die Unsicherheiten und Turbulenzen der kommenden Zeit zu bewältigen.
Die Ausgabe 2025 des World Energy Outlook (WEO) deckt ein breites Spektrum an Entwicklungspfaden ab und beleuchtet unterschiedliche Chancen und Verwundbarkeiten – aber auch Gemeinsamkeiten. Dies geschieht durch drei Hauptszenarien, von denen keines eine Vorhersage darstellt. Jedes zeichnet eine eigene Energiezukunft auf und ermöglicht eine Analyse der Auswirkungen unterschiedlicher politischer, investitionsbezogener und technologischer Entscheidungen auf Energiesicherheit, Erschwinglichkeit und Emissionen.
Zu den vielen Trends, die allen Szenarien des diesjährigen WEO gemeinsam sind, gehört der weltweit wachsende Bedarf an Energiedienstleistungen in den kommenden Jahrzehnten – mit steigender Nachfrage nach Mobilität, Heizung, Kühlung, Beleuchtung und anderen privaten sowie industriellen Anwendungen und zunehmend auch nach daten- und KI-bezogenen Dienstleistungen.
Insbesondere eine Gruppe aufstrebender Volkswirtschaften – angeführt von Indien und Südostasien und begleitet von Ländern im Nahen Osten, in Afrika und Lateinamerika – prägt der IEA zufolge in den kommenden Jahren zunehmend die Dynamik der Energiemärkte. Gemeinsam übernehmen sie den Staffelstab von China, das seit 2010 die Hälfte des weltweiten Öl- und Gasnachfragewachstums und 60 Prozent des Stromnachfragewachstums ausgemacht hat, wobei allerdings kein Land und keine Ländergruppe Chinas energieintensiven Aufstieg auch nur annähernd reproduziert.
Inmitten dieser Verschiebungen werden traditionelle Energierisiken, die die Sicherheit der Öl- und Gasversorgung betreffen, nun von Verwundbarkeiten in anderen Bereichen begleitet, am deutlichsten sichtbar in den Lieferketten für kritische Mineralien aufgrund hoher Marktkonzentration. Mit China ist ein einzelnes Land der dominierende Veredler für 19 von 20 energiebezogenen strategischen Mineralien mit einem durchschnittlichen Marktanteil von etwa 70 Prozent. Die betreffenden Mineralien sind unverzichtbar für Stromnetze, Batterien und Elektroautos, spielen aber auch eine entscheidende Rolle bei KI-Chips, Düsentriebwerken, Verteidigungssystemen und anderen strategischen Industrien.
Die geografische Konzentration in der Veredelung hat sich seit 2020 für nahezu alle wichtigen Energiemineralien erhöht, besonders für Nickel und Kobalt. Die Analyse der Pipeline angekündigter Projekte im diesjährigen WEO legt nahe, dass die Umkehr dieses Prozesses langsam verlaufen wird, was stärkere Maßnahmen der Regierungen erfordert.
„Wir brauchen eine Entschlossenheit wie nach der Ölpreiskrise 1973“
„Wenn wir auf die Geschichte der Energiewelt der letzten Jahrzehnte blicken, gibt es keinen anderen Zeitpunkt, an dem Spannungen der Energiesicherheit gleichzeitig so viele Brennstoffe und Technologien betrafen – eine Situation, die denselben Geist und dieselbe Entschlossenheit erfordert, die Regierungen zeigten, als sie nach der Ölpreiskrise von 1973 die IEA gründeten“, sagt IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol.
„Da Energiesicherheit für viele Regierungen im Mittelpunkt steht, müssen ihre Antworten die Synergien und Zielkonflikte berücksichtigen, die sich mit anderen politischen Zielen ergeben können – bei Erschwinglichkeit, Zugang, Wettbewerbsfähigkeit und Klimawandel. Die Szenarien des World Energy Outlook veranschaulichen die entscheidenden Weichenstellungen, die bevorstehen, und bieten zusammen einen Rahmen für eine evidenzbasierte, datengestützte Diskussion über den weiteren Weg.“
Alles dreht sich um Elektrizität
Elektrizität steht demnach im Zentrum moderner Volkswirtschaften, und die Stromnachfrage wächst in allen Szenarien des WEO-2025 deutlich schneller als der gesamte Energieverbrauch. Investoren reagieren auf diesen Trend: Ausgaben für Stromversorgung und die Elektrifizierung von Endanwendungen machen bereits die Hälfte der heutigen globalen Energieinvestitionen aus. Derzeit macht Elektrizität nur etwa 20 Prozent des globalen Endenergieverbrauchs aus, ist aber die Hauptenergiequelle für Sektoren, die über 40 Prozent der Weltwirtschaft ausmachen, und die Hauptenergiequelle für die meisten Haushalte.
„Die Analyse im World Energy Outlook hebt seit vielen Jahren die wachsende Rolle von Elektrizität in den Volkswirtschaften auf der ganzen Welt hervor. Letztes Jahr sagten wir, die Welt bewege sich schnell ins Zeitalter der Elektrizität – und heute ist klar, dass sie bereits angekommen ist“, so Dr. Birol weiter. Im Gegensatz zum Trend des vergangenen Jahrzehnts beschränke sich der Anstieg des Stromverbrauchs nicht mehr nur auf Schwellen- und Entwicklungsländer: „Das rasante Nachfragewachstum durch Rechenzentren und KI trägt dazu bei, den Stromverbrauch auch in fortgeschrittenen Volkswirtschaften zu steigern. Die globalen Investitionen in Rechenzentren werden in diesem Jahr voraussichtlich 580 Milliarden Dollar erreichen. Diejenigen, die sagen, dass ‚Daten das neue Öl sind‘, werden feststellen, dass dies die 540 Milliarden Dollar übersteigt, die für die weltweite Ölversorgung ausgegeben werden – ein eindrucksvolles Beispiel für die sich wandelnde Natur moderner Volkswirtschaften.“
Eine zentrale Frage für die Energiesicherheit im Zeitalter der Elektrizität ist die Geschwindigkeit, mit der neue Netze, Speicher und andere Quellen an Flexibilität für das Stromnetz bereitgestellt werden. Derzeit hinken einige dieser Elemente hinterher. Die Investitionen in die Stromerzeugung sind seit 2015 um fast 70 Prozent gestiegen, aber die jährlichen Netzausgaben sind mit weniger als der Hälfte dieser Rate gewachsen.
Erneuerbare Energien geben das Tempo vor
Obwohl das Tempo in den verschiedenen WEO-Szenarien variiert, wachsen erneuerbare Energien in allen Szenarien schneller als jede andere große Energiequelle, angeführt von der Photovoltaik. Bemerkenswert sei, dass bis 2035 rund 80 Prozent des weltweiten Wachstums beim Energieverbrauch in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung stattfinden. Ein weiteres gemeinsames Element aller Szenarien ist die Wiederbelebung der Kernenergie, wobei die Investitionen sowohl in traditionelle Großanlagen als auch in neue Designs, einschließlich kleiner modularer Reaktoren, steigen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten der Stagnation werde die weltweite Kernkraftkapazität bis 2035 um mindestens ein Drittel zunehmen.
Im WEO-2025 weisen alle Szenarien auf weiterhin reichlich vorhandene weltweite Öl- und Gasvorräte hin. Die Ölmärkte spiegeln dies bereits wider, da die heutige geopolitische Fragilität mit Ölpreisen im Bereich von 60 bis 65 Dollar pro Barrel einhergeht. Eine ähnliche Entspannung der Preise für Erdgas scheint unmittelbar bevorzustehen, da neue Projekte für den Export von verflüssigtem Erdgas (LNG) in Betrieb gehen.
Die endgültigen Investitionsentscheidungen für neue LNG-Projekte sind 2025 stark angestiegen und verstärken die erwartete Welle im Erdgasangebot in den kommenden Jahren. Rund 300 Milliarden Kubikmeter neue jährliche LNG-Exportkapazität sollen bis 2030 in Betrieb gehen, was zu einer 50-prozentigen Steigerung des verfügbaren globalen LNG-Angebots führt. Etwa die Hälfte der neuen Kapazität wird in den Vereinigten Staaten gebaut, weitere 20 Prozent in Katar. Die Erdgasnachfrage wurde im diesjährigen WEO nach oben korrigiert, aber es bestehen weiterhin Fragen darüber, wohin das ganze neue LNG gehen wird.
Die Entspannung der kurzfristigen Marktbilanzen für Öl und Gas sei jedoch kein Grund für Selbstgefälligkeit, stellt der Bericht fest. Beide Märkte bleiben geopolitischen Risiken ausgesetzt, und schnelleres Nachfragewachstum – als Reaktion auf schwächere Politiken in der Energiewende oder niedrigere Preise – könnte die vorhandenen Puffer rasch aufzehren.
Zugang zu Energie und Klimawandel bleiben herausfordernd
In zwei kritischen Bereichen langjähriger WEO-Analysen bleibt die Welt hinter den selbst gesteckten Zielen zurück: dem Energiezugang zur alle und dem Klimawandel. Rund 730 Millionen Menschen leben immer noch ohne Strom, und fast 2 Milliarden sind auf Kochmethoden angewiesen, die für die menschliche Gesundheit schädlich sind. Ein neues Szenario im WEO-2025 skizziert einen länderspezifischen Pfad zum Erreichen eines universellen Zugangs zu Elektrizität bis 2035 – und zu sauberem Kochen bis 2040, wobei Flüssiggas (LPG) die größte Rolle spielt.
Angesichts steigender Klimarisiken zeigt der WEO-2025, dass die Welt in jedem Szenario die 1,5°C-Erwärmung überschreitet, einschließlich derjenigen mit sehr schnellen Emissionsreduktionen. Der Energiesektor muss sich auf die Sicherheitsrisiken vorbereiten, die höhere Temperaturen mit sich bringen, aber es gibt immer noch Spielraum, die schlimmsten Klimafolgen zu vermeiden. Das aktualisierte Szenario, in dem die Welt bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen erreicht, bringt die Temperaturen langfristig wieder unter 1,5°C.
Gleichzeitig haben Energiesysteme weltweit heute mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen, was die dringende Notwendigkeit unterstreicht, eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber steigenden wetterbedingten Risiken sowie gegenüber Cyberangriffen und anderen böswilligen Aktivitäten aufzubauen. Neue, im diesjährigen WEO analysierte Daten zeigen, dass Störungen kritischer Energieinfrastruktur im Jahr 2023 mehr als 200 Millionen Haushalte weltweit betrafen. Stromleitungen erwiesen sich als besonders anfällig, wobei Schäden an Übertragungs- und Verteilnetzen etwa 85 Prozent der Vorfälle ausmachten.
Zum ausführlichen World Energy Outlook 2025 der IEA (PDF auf englisch)
Quelle: IEA – Pressemitteilung vom 11.11.2025







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